Frank Thelen

Das Mindset der Zukunft

»Wir stehen vor einer exponentiellen Entwicklung.«

Im Fokus

Das Mindset der Zukunft

 

„Wir stehen vor einer exponentiellen Entwicklung.“ Davon ist Frank Thelen überzeugt. In vielen technologischen Bereichen wird es seiner Meinung nach in den kommenden Jahren zu fundamentalen Umbrüchen kommen. Die Digitalisierung war erst der Anfang. Jetzt startet die größte Revolution der Menschheitsgeschichte. Darin liegen große Chancen, aber auch Gefahren. Wenn wir jetzt nicht dran bleiben, werden wir abgehängt – ob als Individuen, Unternehmen oder als Gesellschaft. Deswegen braucht es ein anderes Mindset – mehr Mut, mehr Pioniergeist, mehr kindliche Entdecker*innenfreude.

Bekannt wurde Frank Thelen durch sein Engagement als Juror in der Start-up-Show „Die Höhle der Löwen“. Als Investor liegt sein Fokus vor allem auf Beteiligungen in Technologie-Startups. So hat er unter anderem in das Flugtaxi-Unternehmen Lilium Aviation investiert. Man könnte auch sagen, er geht Wetten auf die Zukunft ein – allerdings wohlüberlegte. In seinem jüngsten Buch „10 x DNA“ und in seinen Vorträgen nimmt er uns mit auf eine Reise zu den wichtigsten Zukunftstechnologien.

Eine zentrale Rolle nimmt dabei die Künstliche Intelligenz ein. Häufig sind wir zwar bei konkreten Anwendungen noch enttäuscht, weil sie nicht so gut funktionieren, wie gedacht. Aber Künstliche Intelligenz befindet sich noch im Entwicklungsstadium. Auch sie wird sich exponentiell entwickeln, z.B. durch Quantencomputer. Weitere Schlüsseltechnologien sind Robotics, 3D-Druck, 5G, Cloud- & Edge-Computing sowie das Internet of Things und die Blockchain.

Frank Thelen sieht auch den App-Store in unserem Gehirn als realistisches Szenario. Möglich wird dies durch ein sogenanntes Brain-Computer-Interface, d.h. die Kommunikation zwischen dem menschlichen Gehirn und Computern. Unter anderem arbeitet die von Elon Musk gegründete Firma Neuralink daran. Thelen ist sich bewusst, dass diese Entwicklung noch zehn bis zwanzig Jahre dauern kann. Ebenso ist er sich bewusst, dass damit ethische Diskussionen aufkommen werden. Für ihn ein Grund, sich als Gesellschaft mit Zukunft zu beschäftigen. Denn diese Entwicklungen werden kommen – so oder so. Besser also, man ist Teil der Diskussion.

Thelen plädiert daher auch für ein starkes Europa, das mehr in Forschung inves-tiert. Allein die Internet-Ära hat in den USA und China Unternehmen im Wert von über 5 Billionen Dollar hervorgebracht, während in Deutschland nicht einmal 100 Milliarden Euro Wert geschaffen wurden. Marktmacht heißt auch Gestaltungsmacht – und die sollte in Europa nicht verloren gehen. Denn: Exponentielle Technologien sind nicht nur gefährlich – sie seien bei aller Gefahr vor allem der Schlüssel zum Überleben, so Thelen. Er sieht in der Nutzung von KI und anderen Zukunftstechnologien die große Chance, Lösungen für das Problem des Klimawandels zu finden.

Damit wir mutig voranschreiten, braucht es jedoch ein anderes Mindset, das sogenannte 10x-Denken. Wir müssen uns trauen, mehr zu investieren. Hierfür müssen wir ein Stück weit mehr Kinder werden, mit Neugier auf Zukunft und Lust auf Veränderung. Wenn wir uns mit neuen Technologien beschäftigen, brauchen wir kein Bedenkenträgertum, sondern ein Leuchten in den Augen. Wir bremsen uns sonst selbst aus.

 

 

Frank Thelen ist europäischer Seriengründer, Technologie-Investor und TV-Persönlichkeit.

Bundesweite Bekanntheit erlangt er als Jury-Mitglied der Fernsehsendung „Die Höhle der Löwen“,die im Jahr 2016 mit dem Deutschen Fernsehpreis als beste Unterhaltungssendung ausgezeichnet wird und den „Ernst-Schneider-Preis“ für Innovation und Wirtschaft erhält. Frank Thelen wird bereits früh zum Unternehmensgründer und bricht dafür sein Informatikstudium an der Hochschule Bonn/Rhein-Sieg ab. Seit 1994 gründet und leitet er technologie- und Design-getriebene Unternehmen. In seiner Rolle als Gründer und CEO von Freigeist Capital konzentriert er sich auf Investitionen in der Frühphase. Seine Produkte haben über 100 Millionen Kunden in über 60 Ländern erreicht. Frank Thelen war der erste Investor in Start-ups wie Lilium Aviation, Wunderlist, Xentral, Ankerkraut und YFood.

Zitat

»STAY HUNGRY, STAY FOOLISH UND VERÄNDERT DIE WELT«

Im Gespräch

Woran denken Sie, wenn Sie den Begriff Zukunft hören?

Zukunft ist für mich Hoffnung und Gestaltung, aber auch Herausforderung und Risiko. Zukunft ist das, was wir daraus machen.

 

Lassen Sie uns darüber nachdenken, was wir aus Zukunft machen könnten:
Was wird sich in den nächsten zehn Jahren verändert haben?

Es ist wichtig, dass wir in zehn Jahren gut da stehen, denn wir könnten auch relativ schlecht dastehen, wenn wir z.B. nicht verstehen, dass wir den Klimawandel stoppen müssen. Wir befinden uns aktuell an einem Zeitpunkt, an dem verschiedene Technologien ein Orchester generieren, das vieles verändern wird. Die Veränderungen werden so unfassbar breit und tief sein, wie sich das niemand vorstellen kann – wahrscheinlich auch ich nicht. Wir werden viel mehr Eins werden mit der Maschine und, sehr plakativ gesagt, die ersten Versionen eines „App Store in our Brain“ haben, d.h. die erste Kommunikation zwischen Cloud und Künstlicher Intelligenz und unserem Gehirn. Wir werden im Flugtaxi und mit dem Hyperloop reisen. Wir werden hoffentlich viele „Bicycles for our Minds“ haben, also effizienter unsere Stärken nutzen und mithilfe von Maschinen besseren und größeren Impact ausüben.

 

Was wäre, wenn Nachhaltigkeit von Anfang an bei der Gestaltung neuer Lösungen mitgedacht werden würde und welche Rolle käme den Technologien dabei zu?

Technologien sind der Schlüssel. Ohne Technologie können wir CO2 nicht skalierbar aus der Luft holen. Wir müssen und werden hoffentlich dazu übergehen, in Kreisläufen zu denken. Jeder, der auf die Welt
kommt, sollte dafür sorgen, dass er einen positiven Fußabdruck hinterlässt, und wer ein besonderes Talent hat, sollte es als Chance nutzen und den Fußabdruck anderer kompensieren. Durch meinen Zugang zu großen Unternehmen und Politikern fühle ich das erste Mal, dass wir an einen Tipping Point kommen, an dem die Umweltverschmutzung nicht einfach so hingenommen wird. Blicken wir auf die Sparkassen: Ein Ziel könnte sein, CO2-negativ zu werden. Heute fördern die Sparkassen Kulturprojekte. Eine sehr harte Entscheidung könnte die zwischen Kultur und Umweltschutz werden. Auch in anderen Bereichen muss die Sparkasse sich neu erfinden, denn sie steht in einem perfekten Sturm der Disruption, weil wir uns von zentralen zu dezentralen Systemen bewegen.

 

Ein Wunsch für die Zukunft?

Jeder Einzelne kann die Welt krasser verändern, als er das glaubt. Lasst nicht die Bedenkenträger nach vorne. Lasst die Mutigen, die Pioniere nach vorne. Ferdinand Porsche, Werner Siemens oder auch Hasso Plattner mit SAP waren die Leute, die groß gedacht und Deutschland erfolgreich gemacht haben. Und die fehlen heute. Wir müssen größer denken, mutiger sein und in jeder neuen Idee zusätzlich aufzeigen, warum sie für den Planeten klimaneutral ist. Habt mehr Mut. Ihr könnt deutlich, deutlich mehr, als ihr glaubt. Stay hungry, stay foolish und verändert die Welt.

 

 

Über Zukunft nachdenken

Zukunftshunger

Wem gehört Zukunft? Wir betrachten Zukunft nicht selten als etwas Abstraktes, das zu uns Abstand hält oder das wir (oftmals unbewusst) auf Abstand halten. Dabei sollten wir Zukunft eher als zeitliche Verlängerung unserer Gegenwart verstehen. Wer im Jetzt handelt, kann im Dann von den Auswirkungen des eigenen Handelns berührt werden. Dafür braucht es Mut und eine Haltung der Experimentalität. Die Zukunft gehört nicht jenen, die das beste Zukunftskonzept ersonnen haben, sondern denen, die sich trauen, dieses auch umzusetzen. Eine Zukunftsimagination kann unseren Appetit auf Zukunft anregen. Der Zukunftshunger bringt uns dazu, sie real werden zu lassen.