Mehr Dürre, mehr Waldbrände, mehr Hitzewellen, mehr Starkregen, mehr Sturzfluten, mehr Überschwemmungen: Der Klimawandel ist auch für die letzten Zweifler in Deutschland angekommen. Wichtig ist jetzt, vorhandene Lösungen auch umzusetzen.
Wie können wir die Herausforderung Klimawandel angehen? Dieser Frage geht der Meteorologe Dr. Mojib Latif nach, Professor am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Er plädiert für verantwortungsbewussten – und alternativlosen – Zukunftsoptimismus. Das Thema sei zu groß, um die Flinte ins Korn zu werfen.
Heute verzeichnen wir 50 Prozent mehr CO2 in der Luft als zu vorindustriellen Zeiten. Wenn es so weitergeht und der CO2-Gehalt in der Atmosphäre sich verdoppelt, sehen wir uns einer Erderwärmung von fünf Grad gegenüber. Um von einer Eis- in eine Warmzeit zu wechseln und umgekehrt, ist ein geringerer Temperaturunterschied nötig. Zuerst wissenschaftlich erforscht wurden die Auswirkungen von CO2 auf die Erde im Jahr 1896 vom Physiker und späteren Nobelpreisträger Svante Arrhenius. Und eine weitere Gruppe von Nobelpreisträgern spielt in diesem Kontext eine Rolle: die Klimawissenschaftler Syukuro Manabe, Giorgio Parisi und Klaus Hasselmann, die 2021 unter anderem für zuverlässige Prognosen zur globalen Erderwärmung ausgezeichnet wurden. Die Berechnungen, denen Latif selbst Anfang der 1990er Jahre beiwohnte, sind praktisch eins zu eins eingetreten. Deshalb gibt es ihm zufolge auch überhaupt keinen Grund, den Klimamodellen zu misstrauen.
Es ist eindeutig, dass Aktivitäten des Menschen den Klimawandel verursachen. Latif unterstreicht dies mit Grafen, Modellierungen zur Erderwärmung mit und ohne menschlichen Einfluss und mit Bildern eines schwindenden Alpengletschers im Laufe der Zeit. Die Beweise sind da. „Wir haben die Dinge schlichtweg ignoriert“, so Latif. Das Problem, mit dem wir konfrontiert sind, ist keines der Erkenntnis, sondern eines der Umsetzung.
Es fehlt an wahrgenommener Dringlichkeit. Wenn der Himmel sich hässlich braun einfärben würde, hätten wir schon längst gehandelt, meint Latif. Bei all der verstrichenen Zeit macht sich trotzdem ein langsamer Wandel bemerkbar. Deutschland – in Anbetracht der im globalen Vergleich schneller steigenden Temperaturen nicht gerade ein Musterknabe – hat den Ausstoß von Treibhausgasen seit 1990 um 40 Prozent gesenkt, während er weltweit um 60 Prozent gestiegen ist. Auch ist der Anteil der erneuerbaren Energien massiv gestiegen. Das verdeutlicht, dass Wohlstand und Klimaschutz sich nicht ausschließen. Wenn so ein neuer, verantwortungsbewusster Kurs erst einmal eingeschlagen wurde, kann er eine enorme Dynamik und Kraft entwickeln. Dafür braucht es vor allem eines: eine Allianz der Willigen. Und klare Rahmenbedingungen von der Politik, an denen sich Wirtschaftsredakteurinnen und -redakteure orientieren können.
In einer 3D-Simulation drehen sich zwei Erden mit unterschiedlicher Treibhausgaskonzentration um sich selbst. Eine Jahreszahl in der Mitte lässt die Betrachter in der Zeit reisen und den globalen Temperaturwandel in Form von sich einfärbenden Orange- und Rotflächen verfolgen: 1987, 2021, 2057. Latif: „Jetzt können Sie langsam schon so allmählich erkennen, welche Erde Sie möchten und welche Erde Sie nicht so gerne hätten.“ Die Animation endet im Jahr 2096: Links ein Planet in blassem Gelb (bei einem Temperaturanstieg von zwei bis drei Grad), rechts eine von roten (sieben Grad wärmer) und dunkelvioletten Flecken (elf Grad wärmer) überzogene Erde.
Man sollte keine Angst vor Klimaschutz haben, so Latif:
„Klimaschutz macht uns fit für die Zukunft.“