Von Vorbildern und Verantwortung

Nana Addison

Nana Addison ist Gründerin und CEO von CURL Agency, einer internationalen Beratungsagentur für Markenkommunikation und Diversity & Inclusion (D & I).
Als Brand & Culture Strategist, D & I Consultant und Live Event Director wirkt Addison seit über zehn Jahren an Projekten der Beauty-, Tech- und Entertainment-Industrie mit. Sie ist Gründerin der CURL CON, des größten Beauty- und Lifestyle-Festivals für schwarze Menschen sowie People of Color in der DACH-Region.
Sie ist Direktorin von TEDx Mauerpark/Berlin, lehrt als Gastdozentin am SAE Institute und setzt im Vorstand ihrer Stiftung CURL Vision Projekte wie die CURL Academy um. Addison wurde vom Focus als eine der Top-100-Frauen in Deutschland des Jahres 2022 und vom »Europe Startup Magazine« als eine der Top 10 aufstrebenden Black Tech & Beauty Entrepreneurs in Europa ausgezeichnet.

Was haben Sie direkt vor diesem Gespräch gemacht?
Ich war im Supermarkt und habe Eistee gekauft und dann bin ich am Dönerladen vorbeigelaufen, war fast vor meiner Haustür, habe mich umentschieden, bin wieder umgedreht und habe mir einen Döner gekauft.

Wie kommen Sie ins Machen, wenn Sie keine Motivation oder keine Lust haben?
In der Regel ist das, was mich motiviert, mein »Warum?«. Das heißt, wenn ich mich aus irgendeinem Grund nicht nach einer Aufgabe fühle, versuche ich mich, so gut ich kann, daran zurückzuerinnern, warum ich das, was ich mache, überhaupt mache. In der Regel kommen mir dann Anekdoten, Erinnerungen an Situationen, Unterhaltungen oder erhaltenes Feedback in den Sinn, wie ich das Leben von anderen Menschen positiv beeinflusst habe. Das gibt mir dann wieder Motivation. Manchmal schreibe ich auch in unseren Executive Team-internen Chat, dass ich keine Lust habe. Dann bekomme ich in der Regel ein paar Memes (Bilder, Videos oder GIFs) von Kolleg:innen, die mich zum Lachen bringen. Und sobald ich lache, habe ich auch schon wieder Lust.

Sie haben gerade von positivem Einfluss gesprochen.
Was haben Sie zuletzt positiv beeinflusst?
Meine letzte Erfahrung dazu war eine Unterhaltung mit meiner Assistentin. In der Unterhaltung hat sie mir beiläufig gesagt, wie sehr ihr nicht nur die Arbeit bei Curl Spaß macht, sondern auch, wie viel sie beim Zugucken lernen kann. Und wie sehr sie das als Frau mit afrikanischem Hintergrund und auf dem afrikanischen Kontinent lebend – denn sie arbeitet remote für mich – empowered. Das war für mich auf jeden Fall gut und schön zu hören. Denn mein Wunsch ist der, dass die Leute, die für mich arbeiten, in irgendeiner Form noch mehr mitnehmen als nur Gehalt. Ich wünsche mir eigentlich immer, dass meine Mitarbeitenden mich irgendwann verlassen, weil sie ihr eigenes Ding machen. Bei mir sollen sie eine gute Werkstatt-Phase haben, die ihnen Selbstvertrauen und das Gefühl gibt, ihre Ideen verwirklichen zu können. Vor allem, wenn sie sich das vorher nicht zugetraut hätten.

Warum wollen Menschen mit Ihnen zusammenarbeiten?
Ich habe bis jetzt noch keine Bewerber:innen gehabt, die nicht auch eigene Träume verfolgen. Sie bewerben sich bei uns, weil sie nah an mir arbeiten möchten, um zu sehen, was ich mache und wie ich das mache. Das finde ich gut so und ich glaube, das hat auch etwas damit zu tun, was ich nach außen trage. Ich suche ehrlich gesagt nicht nach super loyalen Mitarbeiter:innen, die 17 Jahre für mich arbeiten – außer vielleicht in der Buchhaltung.

Sie haben von der Verwirklichung von Ideen und Träumen gesprochen. Wie können wir Menschen dazu animieren, Gegenwart und Zukunft aktiver zu gestalten?
Ich denke, Bewusstsein kreiert Momentum und Energie. Ich glaube, das Wichtigste ist, Menschen die Zukunft innerhalb ihres Kontextes zu spiegeln. Das mobilisiert. Also wenn sie sehen: So sieht die Zukunft in meinem Kontext aktuell aus. Und so würde sie aussehen, wenn ich aktiv werde. Das Einbetten der eigenen Realität in diesen Zukunftsdialog bewegt Menschen. Was darüber hinaus wichtig ist: diese Zukunft in eine gute, runde und authentische, also reale, Story einzubetten. Wir können diese vielleicht nicht für jede einzelne Person maßschneidern, aber wir können Narrative schaffen, die die Lebensrealitäten von so vielen Menschen wie möglich widerspiegeln. Das ist der Ansatz, die Orientierung, die ich auf jeden Fall auch gebraucht hätte und die ich jetzt für mich selbst gefunden habe. Hätte ich das in meiner Jugend erfahren, wäre ich vielleicht noch schneller und motivierter gewesen. Wir müssen Zukunftsprojektionen kommunizieren, an denen jede und jeder beteiligt ist.

Wie können Sparkassen Teilhabe an Zukunft ermöglichen?
Ich denke, dass finanzielle Gesundheit für jede Person in Deutschland eine große Zukunftsvision ist. Dazu gehört auch Financial Literacy, also finanzielle Kompetenz. Ich glaube, dass diese Zukunftsvision unglaublich wichtig ist und sehr unterschätzt wird, obwohl sie einen riesigen Einfluss auf Wirtschaft und Gesellschaft hat. Die Sparkassen, Banken und Finanzdienstleister können dazu beitragen, indem sie Finanzinformationen und Finanzkompetenzen zugänglicher machen.

Wie sieht der Zugang zu finanzieller Kompetenz aus?
Erst einmal verstehe ich Zugang als Access, das heißt, wie Menschen Finanzen begegnen: auf welchen Ebenen, in welchen Altersgruppen, in welchen Kontexten und in welchen Sprachen? Aber es geht auch ums Zugänglichmachen im Kontext von sozioökonomischen Schichten. Wenn ich nicht Gründerin wäre und keine Firma hätte, würde ich mich mit vielen Themen nicht auseinandersetzen, die mit Finanzen zu tun haben, die aber im Nachhinein und mit meinem jetzigen Wissen auch meine Mutter betreffen, die Putzfrau war. Darum geht es: diese Brücke zu schlagen, dass Finanzkompetenz eigentlich den Alltag betrifft und auch dort anfängt. Das ist mir wichtig. Dass man als Kind schon Zugang zu einem eigenen Konto erhält, ist super. Aber ich weiß von vielen Menschen, die nicht wissen, was das eigentlich bedeutet. Wenn wir Zugang schaffen, tragen wir Verantwortung, und in der Vermittlung dieser finanziellen Bildung sehe ich noch sehr viel Luft nach oben.

Welchen Stimmen sollten wir mehr Aufmerksamkeit schenken, wenn es darum geht, eine wünschenswerte Zukunft für alle zu gestalten?
Ich denke, Stimmen aus sogenannten marginalisierten Gruppen und junge Gründer:innen aus unterrepräsentierten Gruppen sollten mehr Aufmerksamkeit erhalten. Denn letztlich werden diese Menschen zur Wirtschaft beitragen. Die Start-ups und jungen Firmen, die es heute gibt, werden, wenn alles gut läuft, die Konzerne der Zukunft sein.

Was charakterisiert für Sie eine:n Zukunftsmacher:in?
Eine Zukunftsmacherin oder ein Zukunftsmacher ist für mich eine Person, die an erster Stelle zuhören möchte, an erster Stelle lernen möchte, an erster Stelle verstehen möchte – um dann Lösungen zu entwickeln. Es ist eine Person, die wirklich neugierig ist, die wissen und lernen möchte – nicht, um schlauer zu wirken oder zu dominieren, sondern, um ihr Wissen und die verfügbare Information in eine Handlung zu gießen, die einen Nutzen für die Mehrheit der Gesellschaft hat.

Zukunft machen

Zuhören

Dem ersten Anschein nach hat Zuhören wenig mit Machen zu tun. Wer macht, ist aktiv. Wer hört, wirkt passiv, gar unbeteiligt, wartend. Wer wartet, hat jedoch die Möglichkeit, wertvolle Momente abzupassen. Die Momente, auf die es ankommt, um zukunftsrelevante Wendepunkte zu gestalten. Um wirklich bedeutsame Handlungen folgen zu lassen, muss man gut zuhören können. Denn nur wer zuhört, kann auch wahrhaftig verstehen, worauf es den Menschen, für die gute Zukünfte gestaltet werden sollen, ankommt. Zuhören ist übrigens nicht so einfach. Selbst wenn wir unser Gegenüber ausreden lassen, fallen wir ihm zuweilen ins Wort. Denn das Gesagte buhlt kontinuierlich um unsere Aufmerksamkeit.

Was den Worten unseres Gegenübers Konkurrenz macht? Unsere Gedanken. Die wollen nämlich immer mitreden. Für eine gute Zukunft gilt deshalb hin und wieder: Mund zu (ja, auch der im Kopf), Ohren auf.