Von Menschen und Maschinen

Frank Theisen

Frank Theisen leitet den Geschäftsbereich IBM Technology DACH für die Märkte Deutschland, Österreich und Schweiz.
In dieser Rolle ist er verantwortlich für Hardware und Software, für Hybrid-Cloud- und Multi-Cloud-Lösungen, die IBM Public Cloud sowie Data & AI, Security-Lösungen und SaaS, einschließlich Vertrieb, Services und das Partner-Ecosystem. Mit seiner über 25-jährigen Erfahrung im IT Lösungsgeschäft, seiner umfassenden Forschungs- und Entwicklungskompetenz in Daten- und KI-Technologien sowie dem Cloud-Lösungsportfolio unterstützt er hierbei gezielt Kund:innen, die digitale Transformation im Unternehmen voranzutreiben, die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Markt zu stärken und zugleich innovative Technologien zu integrieren.

Was haben Sie unmittelbar vor diesem Gespräch gemacht?
Vor diesem Gespräch habe ich mit unserem HR-Team zusammengesessen und wir haben über Karriereentwicklung gesprochen. Menschen sind aus meiner Sicht letztlich das Wichtigste in einem Unternehmen. Deshalb nehme ich mir für dieses Thema sehr viel Zeit.

Wie kommen Sie ins Machen, wenn Sie eigentlich keine Lust haben?
Die Lust kommt im Zweifelsfall beim Machen. Ich bin insgesamt ein sehr operativer und positiv anpackender Mensch. Das heißt, jedes Thema hat eine spannende Seite und spannende Aspekte. Wenn man diese als Startpunkt nimmt, fällt es leichter, Dinge anzugehen. Zusätzlich habe ich ein großartiges Team, das ich einbinden kann, um zu neuen Sichtweisen und neuen Ideen zu kommen. Wenn dann Lösungsszenarien da sind, läuft es fast von selbst.

Welche Themen reißen Sie denn ganz automatisch mit?
Was mich immer mitreißt, sind Themen rund um Daten und Künstliche Intelligenz (KI). Daten und die damit verbundenen Möglichkeiten sind gerade in verschiedenen Bereichen ein großes Thema – auch im Bankenbereich. Das inspiriert mich schon seit Beginn meiner Karriere. Da verspüre ich Begeisterung, die ich zu Kund:innen und Partner:innen bringen kann, um andere dann auch mitzureißen.

Was haben Daten mit Zukunft zu tun?
Daten haben sehr viel mit Zukunft zu tun. Ein Großteil der Digitalisierung ist datenbasiert und bietet damit unglaublich viel Raum für Innovation. Es ist aber auch ein Thema, das man nicht nur von der Technologieseite aus betrachten sollte, sondern genauso in der Kombination Mensch und Maschine. Das Thema Vertrauenswürdigkeit spielt hier eine große Rolle: Eine Herausforderung besteht darin, KI frei von den unbewussten Einstellungen ihrer menschlichen Entwickler:innen zu halten. Um das zu erreichen, müssen wir dafür sorgen, dass Ethik und Technologie Hand in Hand arbeiten, zum Beispiel, um Diskriminierungen von bestimmten Personengruppen oder Minderheiten zu vermeiden.

Worauf kommt es bei der Interaktion zwischen Menschen und Maschinen an?
Dazu gehört zu fragen, was es mit uns macht, wenn wir tagtäglich mit Daten konfrontiert sind. Hier spielen ganz viele Faktoren eine Rolle, wie beispielsweise das äußere Erscheinungsbild eines Roboters, die Stimme eines Chatbots oder die Geschwindigkeit einer Interaktion. Das Design einer Mensch-Maschine-Kommunikation ist manchmal sehr viel wichtiger als die reine Technologie oder die Algorithmen, die dahinterstehen. Übertragen aufs Banking spielen die technologischen Entwicklungen grundsätzlich eine große Rolle, denn die Kund:innen möchten immer intuitiver beraten werden. Die ganze Branche steht vor der Herausforderung, sowohl den bestehenden Kund:innenstamm als auch die jüngere Generation mitzunehmen. Das ist manchmal ein Spagat zwischen Digital Natives und denjenigen, die nicht oder noch nicht ganz so stark in der Interaktion mit neuen Technologien sind.

Es geht also primär um den Blick auf Kund:innen?
Es gibt neben Customer-Care, also Digitalisierung in Bezug auf Endnutzer:innen, natürlich auch die Digitalisierung rund um interne Prozesse. Wir arbeiten zum Beispiel mit der Finanz Informatik an einer schnelleren Betrugserkennung durch Embedded KI. Dabei handelt es sich um eine eingebettete Intelligenz, mithilfe derer Mitarbeitende, die jeden Tag bis zu 300 mögliche Betrugsfälle durchschauen, schon in den ersten zehn Prozent der Daten möglichst 80 Prozent der Betrugsfälle aufgezeigt bekommen. Das heißt, der Mensch behält immer die Kontrolle, aber die Maschine lernt, unterstützt mit Intelligenz und verbessert die internen Prozesse.

Welche Rolle können die Sparkassen in der Gesellschaft einnehmen, um die digitale Transformation anzutreiben?
Die Sparkassen spielen eine wichtige Rolle innerhalb unserer Gesellschaft. Sie sind quasi ein Sinnbild für die Versorgung der Bevölkerung mit Bankdienstleistungen – und das auf Basis einer sehr hohen Kund:innennähe. Darüber hinaus spielen sie im kulturellen und sozialen Leben eine Rolle für unsere Gesellschaft. Die Sparkassen stehen für den Aspekt der Stabilität, gerade in Deutschland. Die Stärke, die sie ausspielen können, liegt in der sehr engen und guten Beratung des und der Einzelnen, aber beispielsweise auch des Mittelstands und des Handwerks. Doch auch sie müssen sich einer Reihe von Herausforderungen stellen. Mit neuen Dienstleistungen, neuen Netzwerken und neuen Plattformen kann man vieles bewegen, um die vorhandenen Stärken zu festigen. Dazu gehört auch, die Digitalisierung in Prozesse einzubauen.

Welche Rolle spielt die menschliche Intelligenz in einer Welt, die nach Künstlicher Intelligenz strebt?
Ich glaube nicht daran, dass die Künstliche Intelligenz uns ersetzen wird, sondern dass wir ein Miteinander haben werden. Anstelle von überbordenden Fantasien, die dem Bereich Science-Fiction entstammen, gilt es, Vertrauen in die Zuverlässigkeit von KI zu schaffen und verbindliche Regeln sowie einheitliche Normen und Standards zu etablieren. In Europa braucht Künstliche Intelligenz auch europäische Wertmaßstäbe. Denn mit Normen und Standards werden Anforderungen an KI und KI-Anwendungen unter Beteiligung aller relevanten Stakeholder technisch beschrieben, zum Beispiel zum Thema Vertrauenswürdigkeit und Verständlichkeit der Ergebnisse. KI darf keine Blackbox sein! Sonst werden Menschen unsicher, wie gut eine KI ist – und fragen sich besorgt, ob sie irgendwann einmal besser sein wird als man selbst. Vom Bessersein ist eine KI heute aber noch weit entfernt. Meistens ist sie in einer sehr schmalen Nische sehr, sehr gut, aber eben nicht in der Breite und nicht in den Fähigkeiten, die ein Mensch hat. Aber wenn man diese Nischen optimal besetzt, kann KI vor allem im Thema Automatisierung unglaublich viel Positives bewirken.

Zukunft braucht also neue Formen der Zusammenarbeit?
In Sachen KI brauchen wir das Zusammenwirken von Technologieunternehmen, der Wissenschaft und auch des Gesetzgebers. Eine wichtige Rolle kommt den Technologieunternehmen zu, zumal die Gesetzgebung den Entwicklungen meist hinterherhinkt. Aus diesem Grund hat beispielweise IBM als einer der Vorreiter bei KIbasierten Technologien ein interdisziplinäres Gremium gegründet – das IBM AI Ethics Board. Wir verfolgen auch mehrere Forschungsansätze, um voreingenommene KI zu verhindern oder zu beheben. Zudem stehen Methoden und Tools zur Verfügung – teilweise gemeinsam entwickelt mit der Open-Source-Community –, um Voreingenommenheit in KI zu erkennen und die Ergebnisse von KI erklärbar zu machen. Einer oder Eine alleine wird sich schwertun, alles zu können.

Wie können wir Kooperation auf eine neue Stufe heben?
Ich persönlich denke, dass das Thema Ökosystem ein ganz besonders wichtiger Faktor ist. Wir haben im IBM-Ökosystem viele Partner:innen, daneben ein großes Forschungsnetzwerk und eine Vielzahl bedeutender Endkund:innen. Innovation rund um Zukunft entsteht im Netzwerk. Wenn man das aufgebaut hat, ist man sehr schnell in einem kollaborativen Umfeld, in dem man gemeinsam Dinge gestalten und nach vorne bringen kann. Außerdem ist es aus meiner Sicht wichtig, eine hohe Diversifizierung zu haben. Deshalb ist es auch gut, dass Sie für #Zukunfts-MacherInnen mit Personen aus verschiedenen Bereichen reden. Das bringt neue Ideen und damit dann auch Innovation mit sich.

Wem sollten wir über diese Publikation hinaus zuhören?
Auf der einen Seite haben wir hier in Deutschland bestimmte Industrien, die sehr stark sind. Auf der anderen Seite gibt es eine sehr gute Forschung bei uns, gerade im Technologiebereich. Aber wir sind manchmal nicht die Schnellsten im Umsetzen der Dinge. Um wieder auf KI zurückzukommen: Ich denke, wir sind absolut führend in der KI-Forschung und -Theorie. Wir sind jedoch nicht führend in der direkten Anwendung. Da sind dann andere schneller. Und so gibt es eine Stimme, die ich gerne viel stärker hören würde. Eine, die sagt: »Fail fast. Learn fast. Lasst uns mehr versuchen.«

Das sagt sich leicht und klingt motivierend. Aber Scheitern fühlt sich für die Allermeisten nicht gut an. Wie gehen wir dennoch optimistisch an Zukunft heran?
Wir müssen offen sein. Für mich hat meine Technikbegeisterung mit einem ersten C64-Computer angefangen, einem Computer, den wahrscheinlich nur noch wenige kennen. Das war der erste Schritt für mich. Darüber hinaus habe ich immer neue Themen kennengelernt, um irgendwann zu sagen: Okay, die Computertechnik, die IT, die fasziniert mich. Und das führt dann wieder zurück zum Thema, Innovationen gegenüber schneller aufgeschlossen zu sein, sie anzuwenden und für sich zu erkunden. Was ist gut davon und was ist vielleicht für die Einzelne und den Einzelnen nicht so gut? Es geht darum, Neues auszuprobieren und kennenzulernen, ohne darauf abzuzielen, dass alles perfekt sein muss. Dinge auszuprobieren, führt schnell zu Optimismus.

Was macht für Sie denn eigentlich eine:n Zukunftsmacher:in aus?
Ich denke, Kreativität ist ein wichtiger Punkt. Offenheit ein weiterer, genauso wie zuhören zu können. Und dann braucht es Willen und den Mut, Neues umzusetzen – dieses Anpacken, dieses Machen. Dann muss man aber auch ein Stück Geduld haben. Und es ist ganz wichtig, manche Dinge nicht allein machen zu wollen, sondern nach dem Team zu schauen, mit dem man gemeinsam Zukunft gestalten kann. Außerdem: sich nicht von Rückschlägen aufhalten lassen. Wenn all diese Dinge zusammenkommen, dann kann man Zukunftsmacher oder -macherin werden.

Und worüber haben wir in diesem Interview nicht gesprochen?
Über Visionen und Träume. Wir haben immer wieder über Innovation gesprochen. Da geht es viel um die Realisierung von Visionen und Träumen. Viele Innovationen sind zunächst mit einer Vision gestartet. Um diese zu haben, muss man Zeit investieren – sowohl in Visionen im Kleinen wie auch im Großen. An diese anknüpfend können wir dann mit Innovation und Technologie die Zukunft gestalten. Ich würde also gesellschaftlich gerne mehr darüber nachdenken, wie wir das visionäre Denken noch besser fördern können.

Zukunft machen

Anfangen

Es könnte ganz einfach sein. Einfach anfangen. Ein erster Schritt, ein erstes Telefonat, ein erster Versuch. Klingt einfach, ist es aber nicht. Die Angst vor dem weißen Blatt wurde schon viel beschrieben. Die ersten darauf formulierten Worte wirken nicht selten belanglos, langweilig und mitnichten vielversprechend. Mit der Zukunft verhält es sich ähnlich. Auch sie ist ein unbeschriebenes Blatt und die ersten Skizzen darauf sehen unbeholfen aus – und führen womöglich zu nichts. Dann kann man es auch gleich bleiben lassen. Oder eben anfangen – und dieses Stolpern in die Zukunft zulassen. Haben wir so nicht auch laufen gelernt? Aufstehen, hinfallen, wieder aufstehen – bis wir irgendwann richtig gut laufen konnten. Als Kind haben wir uns nie die Frage gestellt, ob es sich lohnt, einfach anzufangen. Weil es sich immer lohnt. Denn alles Große beginnt mit einem Anfang.