Ohne Spaß keine Spitzenleistung

Martina Voss-Tecklenburg

Martina Voss-Tecklenburg, Bundestrainerin der deutschen Fußball-Nationalmannschaft der Frauen
Als Fußballspielerin absolvierte sie 125 Länderspiele, in denen sie 27 Tore erzielte - mit der deutschen Frauen-Nationalmannschaft holte sie viermal den Europameistertitel. Mit diversen Bundesligavereinen gewann sie mehrfach die Deutsche Meisterschaft. Viermal gewann sie zudem den DFB-Pokal der Frauen. 1996 und 2000 wurde sie zu Deutschlands ›Fußballerin des Jahres‹ gewählt. Von 2003 bis 2008 war sie als Verbandssportlehrerin beim Fußballverband Niederrhein tätig, wechselte danach 2008 auf die Bank des FCR Duisburg. In der Saison 2011/2012 betreute sie den Allianz-Frauen-Bundesligisten FF USV Jena, ehe sie 2012 den Posten als Schweizer Nationaltrainerin übernahm. Bis 2017 war sie zudem Leiterin der Nachwuchsakademie des Schweizer Fußballverbands. Am 30. November 2018 übernahm sie den Posten der Bundestrainerin der deutschen Frauen-Nationalmannschaft.

Was macht für Sie eine:n Zukunftsmacher:in aus?
Ein:e Zukunftsmacher:in zeichnet aus, dass er:sie immer das Gesamte im Blick behält, ziel- und lösungsorientiert agiert und im Erfolgsfall schon die Zukunft gestaltet und sich nicht auf dem Erfolg ausruht!

Was lässt sich vom Spitzensport lernen, wenn es um Zukunftsgestaltung geht?  
Fokussiert und diszipliniert zu bleiben, Erfolge und Misserfolge sachlich zu bewerten, im Team zusammenzuarbeiten und alle unterschiedlichen Kompetenzen zu nutzen. Dabei müssen Rollen und Aufgaben klar definiert sein. Das bedeutet, dass du miteinander reden musst und nicht übereinander. Das A und O für unseren Erfolg der Frauennationalmannschaft: Wir arbeiten mit bestimmten Prinzipien – nicht nur Spielprinzipien, sondern auch solche, wie wir miteinander umgehen wollen. Unser Anspruch ist, ein A-Team zu sein. Dabei sind drei As für unseren Erfolg entscheidend.

Was sind die drei As?
Das erste A ist: A wie anspruchsvoll. Wir spielen, um zu gewinnen. Wir formen, um zu performen. Wir möchten selbstbewusste, mutige Spielerinnen. Spielerinnen, welche häufig in eine Eins-zu-Eins-Situation gehen. Vielleicht verliert eine Spielerin neunmal das Duell, aber wenn sie’s nicht versucht, dann ist es nicht unsere Art von Spielerin. Wir fordern eine Spielerin zur Fehlertoleranz auf, wollen nicht gleich hadern und zweifeln, wenn die erste Aktion nicht gelingt. Wir sagen immer: Wir wollen, dass sich der Gegner zu 70 Prozent nach uns richtet. Wir sind alle ehrgeizig und ich lebe diesen Ehrgeiz auch vor. Ich versuche, durch eigenes Feuer und Leidenschaft zu überzeugen.
Das zweite A ist: Wir sind ambitioniert. Wir spielen, um zu gewinnen. Wir gehen nicht auf den Platz, um nicht zu verlieren. Das macht etwas mit deinem Gedankengut. Und das macht auch etwas mit den Spielerinnen, wenn du das so formulierst. Sprache kann eine ganze Menge in den Köpfen verändern. Wir wollen Titel gewinnen. Das dritte A ist: Wir sind authentisch. Wir wissen: Wir sind nicht perfekt. Wir haben belastbare Beziehungen. Das bedeutet, dass wir uns auch Dinge sagen können, die unangenehm sind – immer lösungsorientiert. Wir haben ein Credo: Sprich es aus. Das heißt aber, nicht nur die negativen Dinge auszusprechen, sondern auch die Dinge, die funktionieren. Also dem Zeugwart auch mal zu sagen: »Du machst einen super Job.« Beim Mittagessen sitzen wir bewusst in gemischten Gruppen. Da sitzt auch der Busfahrer bei den Spielerinnen am Tisch! Das hilft, um die Menschen und ihre Werte kennenzulernen, es verändert die Kultur im Miteinander. Es ist extrem wertvoll, wenn Menschen aus verschiedenen Bereichen miteinander kommunizieren und sich miteinander entwickeln. Wir arbeiten respektvoll miteinander – und zwar in allen Bereichen. Bei uns ist jedes Teammitglied in seiner Rolle klar und wird respektiert. Oft sind die Menschen im Hintergrund nicht sichtbar, doch wir haben sie sichtbar gemacht. Alle sind wichtig und haben ihre Rolle im Team.

Was haben Training und Banking gemeinsam?
Das weiß ich nicht so genau, da Banking nicht meine Kompetenz ist. Im Training will man sich permanent verbessern, das heißt aber für mich auch, nicht nur an den Potenzialen zu trainieren, sondern immer wieder auch die Stärken zu stärken und sich selbstbewusst zu behaupten. In der Frauennationalmannschaft arbeiten wir mit dem Prinzip Stärken stärken. Das ist enorm wichtig, da gerade Frauen größere Ohren haben, wenn es negativen Input gibt. Oft ist das Selbstbewusstsein nicht so groß. Deshalb versuchen wir immer wieder, über positive Bilder zu kommen. Wir schauen uns natürlich an, was wir nicht richtig machen, wir schauen aber vor allem an, was wir gut machen.

Welchen Aspekten sollten wir mehr Aufmerksamkeit widmen, wenn es um das Erreichen von großen Zielen geht?
Klarheit und Einfachheit, lösungsorientiert zu sein, sagen was geht und nicht, was nicht geht. Diversität einfordern, um bestmöglich unterschiedliche, aber so wichtig ergänzende Kompetenzen zu nutzen. In der Frauennationalmannschaft haben wir eine gelebte, diverse Führung in allen unseren Teams. Wir haben internationale Kulturen, unterschiedliche Altersstrukturen, um alle Kompetenzen, Stärken und Potenziale in die Gruppe einzubringen. Wir hören uns zu und versuchen, miteinander zu wachsen. Damit sind wir eine Benchmark für Führung von heute.

Was Sie schon leben, klingt für Leser:innen dieses Beitrags womöglich nach ziemlich großen Zielen. Wie erreicht man ambitionierte Ziele?
Um unsere hohen Ziele zu erreichen, ist es für uns wichtig, dass wir mit ganz viel Spaß und Freude, mit Power und Leidenschaft, mit Lachen unsere Arbeit tun. Spaß steht bei uns wirklich im Vordergrund. Es wird viel gelacht. Das ist die Grundlage: dass man wirklich Freude an dem hat, was man tut. Außerdem: Wir arbeiten permanent mit dem Prinzip Überzeugung und Vertrauen. Ziele mit dem Team gemeinsam definieren und der Überzeugung sein, diese erreichen zu können. Wir wollen, dass unsere Spielerinnen nur etwas tun, wovon sie überzeugt sind, und dass es eine gemeinsame Entscheidung ist. Dass sie unserem Plan vertrauen, denn sonst wird es nicht gelingen.

Was ist Ihr Polarstern? Welche Vision für die Zukunft treibt Sie an?
Mein Polarstern ist heute mit meiner Erfahrung, meinem Wissen und meinen Kompetenzen junge Menschen mitentwickeln und unterstützen zu dürfen, ohne es dabei »besser wissen zu wollen« – sondern im Austausch und auf Augenhöhe! Ich betrachte mich als Dienstleisterin für unsere Spielerinnen.

Zukunft machen

Gemeinsam machen

Große Ziele lassen sich nur erreichen, wenn wir uns zusammenschließen, wenn wir unsere Kräfte bündeln. Das gilt für die Politik, den Sport und die Arbeit. Um große Zukünfte zu realisieren, können wir uns deshalb einer Gestaltungskraft bedienen, die größer ist als jede andere: die Kraft der Gemeinschaft. Diese führt nämlich dazu, dass aus der Idee einer einzelnen Person eine große Bewegung werden kann. Was es dafür braucht? Mitstreiter:innen, die Lust haben, gemeinsam zu machen. Denn gemeinsam machen heißt: Kräfte entfesseln. Gemeinsam machen heißt auch, Gemeinsamkeiten für die Zukunft zu schaffen. Wer an Gemeinsamkeiten arbeitet, wächst zusammen, wird zum Team. Teams, die gemeinsam machen, dürfen auch gemeinsam lachen – und können sich darauf verlassen, dass Niederlagen gemeinsam weggesteckt werden. Um aufzustehen und weiterzumachen, für eine gemeinsame Zukunft.