Was haben Sie unmittelbar vor diesem Gespräch gemacht?
Wir bauen gerade ein 3-D-Erlebnis für das Metaverse – und zwar für einen Kunden, der wissen möchte, ob das ein Zukunftsgeschäft für ihn ist. Wir helfen ihm, das Metaverse besser zu verstehen und es selbst zu erleben, um dann abzuschätzen, wie weit die Technologie schon ist.
Und wie kommen Sie ins Machen, wenn Sie eigentlich überhaupt keine Lust haben?
Bei mir gibt es die Situation, wenig Lust zu haben, eigentlich nicht. Die Frage ist immer: Woraus zieht man Energie? In der Regel ist es das, was man auch gerne tut. Und das wird dann verstärkt. Neues zu entdecken, Neues zu schaffen, etwas zu bewegen, etwas zu verändern – das ist etwas, was mir viel Energie gibt. Das heißt aber auch, dass ich mich in einen Bereich begebe, von dem ich nicht weiß, ob ich erfolgreich sein werde. Das bedeutet: Man riskiert etwas. Man muss vielleicht die Extrameile gehen. Man muss auch mal jemanden enttäuschen. Man muss zurück auf Feld Eins und Neues versuchen.
Geht das einfach so?
Das geht nur, wenn du ein Umfeld hast, das dir diese psychologische Sicherheit bietet, dich wertschätzt und unterstützt. Sobald du für Innovation bzw. für einen Rückschlag – der ganz normal ist in der Innovationsentwicklung – bestraft wirst, erstickt das zarte Innovationspflänzchen schon im Keim. Es ist sehr wichtig, ein Umfeld zu haben, das Rückschläge zulässt und dich unterstützt.
Wie haben Sie zu diesem Punkt gefunden, der Ihnen jetzt Energie gibt?
Das ist eine tiefe Kulturfrage und Kultur ist nichts, was man einfach so erschaffen kann. Es gelten immer die Fragen: Was belohnst du? Was für Ziele setzt du? Was für Personen rekrutierst du? Kultur ist deshalb auch etwas, was man nicht so schnell ändern kann. Man hat sie in der Regel über Jahre aufgebaut und vererbt. Es steckt also eine gewisse Trägheit im System.
Wenn man eine gute Kultur entwickelt hat, muss man sie wirklich schützen. Sie wird durch die Menschen geprägt, die in einer Organisation arbeiten. Das ist zum Beispiel etwas, was wir bei Zühlke seit Jahren leben und schätzen. Dass wir als Engineering-Firma sagen: Wir wollen die Innovationen und die coolen Projekte machen. Das heißt, dass wir ganz gezielt Leute suchen, die das auch mögen und leben.
Wie kann die Experimentierfreude der Mitarbeitenden gestärkt werden?
Oft gibt es das Standardgeschäft, also die große Corporate-Welt. Um die zu bewegen, braucht es sehr, sehr viel Energie. Aber für Innovation brauchst du in der Regel nicht die ganze Firma, sondern du brauchst ein paar Leute, die ganz viele Ideen haben und etwas bewegen können. In der Regel ist es einfacher und auch sinnvoller, so was wie ein Speedboat neben dem Kreuzfahrtschiff zu installieren. Dafür muss man Vertrauen haben, dass Menschen ihr Bestes geben und ausprobieren, wie weit sie kommen. Das wäre eigentlich der ideale Ansatz. Man muss ganz genau überlegen, wer in diesen Topf reinkommt, denn das sind diejenigen, die unternehmerisches Mindset und Innovation leben wollen. Wenn sie das machen können, dann geschieht etwas Magisches.
In welches neue Terrain haben Sie sich zuletzt begeben?
Bei mir ist das Thema Metaverse vor etwa einem Jahr aufgekommen. Es ist auch jetzt noch ein Thema, das polarisiert. Es befindet sich in der frühen Innovationskurve. Es sind hohe Erwartungen da, aber was man effektiv schon an die Endkunden bringt, ist noch sehr ernüchternd. Sich mit diesem Thema zu positionieren, ist ein Risiko. Denn durch die Polarisierung gibt es immer starke Gegenstimmen. Zusätzlich stellt es noch kein Volumengeschäft dar. Dafür hat man aber die Chance, früh dabei zu sein. Deshalb passt es meiner Meinung nach gut in die Geschichte, einfach mal etwas zu wagen, dranzubleiben, an die Vision zu glauben. Ich denke, die meisten Leute verliert man unterwegs, weil sie einfach irgendwann aufgeben, nicht mehr an eine Vision glauben oder keine Geduld mehr haben. Ich glaube, dass die Chance auf Erfolg für diejenigen sehr hoch ist, die einfach konstant an ihrem Ziel dranbleiben.
Wie identifiziert man ein Fenster, das Zukunftschancen verspricht?
Die Frage ist immer, wie du dich selbst positionierst. Bist du der Pionier, der den Markt aufmischt, wie es zum Beispiel Meta im Moment macht? Als Pionier investierst du immer viel, viel Zeit und Geld, weil du derjenige bist, der nahe an der Forschung ist und die Technologie vorantreibt oder der die ganze Aufklärungsarbeit leistet und den Markt überhaupt erst aufbaust. Das ist sinnvoll, wenn du genügend Mittel zur Verfügung hast oder die Notwendigkeit für eine Entwicklung siehst. Manchmal ist es aber auch sinnvoll, einfach ein Early Adopter zu sein und dann einzusteigen, wenn ein gewisser Markt schon da ist.
Und selbst wenn die Technologie schon etabliert ist, kannst du noch ein Stück vom Kuchen erobern. Es kommt immer auch darauf an, was die eigene Strategie ist. Aber in der Regel ist Early Adopter gerade, was Technologien angeht, ein gutes Window of Opportunity – ein Möglichkeitsfenster, weil du nicht die ganzen Pionier-Kosten zahlen musst, aber recht günstig schon weiter als deine Mitbewerber sein kannst. Ich glaube, beim Metaverse befinden wir uns gerade genau in dem Moment.
Die Technologie ist reif genug, dass man daraus schon etwas bauen kann. Wenn man früh einsteigt, kann man mit wenig Geld schon relativ viel Aufmerksamkeit und einen Vorsprung herausholen – und dann muss man schauen, dass man die erarbeitete Position nicht abgibt und den Vorsprung halten kann.
Was ist denn eigentlich das Metaverse?
Ganz einfach erklärt, ist es eine Verschmelzung zwischen der physischen und der digitalen Welt. Rückblickend aus unseren zukünftigen Erinnerungen wird es irgendwann nicht mehr trennbar sein, welches Erlebnis virtuell und welches physisch war, weil sich alles so echt anfühlt. Ein Aspekt des Metaverse, der weniger oft betrachtet wird, beinhaltet, dass unsere physische Welt immer mehr mit digitalen Inhalten überlagert wird. Heute haben wir oft unser Mobiltelefon dabei, das uns im Alltag begleitet. Wir hören damit Musik, wir bezahlen, wir nutzen die Navigation. Im Moment ist der Bildschirm das Fenster in die digitale Welt. Ich glaube, dass wir in den nächsten Jahren vermehrt Smart Glasses kaufen können, die die digitale Welt direkt über unser Sichtfeld projizieren. Sobald das technisch möglich ist und die Geräte solch einen Formfaktor haben, dass man sie wirklich im Alltag tragen kann, dann wird das Metaverse den Einzug in die Gesellschaft finden.
Wo können wir heute schon eine Ahnung von der Relevanz des Metaverse erhalten?
Die virtuellen Welten sind ein Bereich – ich bezeichne diesen mal als »Teilgebiet« des Metaverse –, wo vor allem die Spieleindustrie die Nase vorn hat. Die Akteure dort wissen, wie man nachhaltig begeistert, wie man mit Gamification ein immer wieder neues Er- lebnis schafft und die Leute auf die eigene Plattform zurückholt. Es geht nicht mehr so sehr um Game Over. Die Spiele werden offener, kreativer. Wir sehen kontinuierliche, offene Welten, in denen ich auch digitale Güter besitzen kann. Wir sehen schon heute, dass diese Güter wie Kleidung oder Schmuck bei den jungen Generationen immer mehr an Wert gewinnen und teilweise sogar schon relevanter sind als physische Besitztümer.
Wie könnten Banken die heutigen Ausprägungen des Metaverse für sich nutzen?
Wo spielt eine Bank im Leben der jungen Generation eine Rolle? Die Frage muss man sich stellen. Wie kommen wir dahin, wo die junge Generation ist? Das Metaverse könnte ein Kontaktpunkt für Banken sein. Ich denke nicht, dass es der einzige und vielleicht auch nicht der größte sein wird, aber es ist ein spannender Ort. Die Generation Alpha beispielsweise ist heute noch nicht auf Social Media unterwegs, aber etwa 80 Prozent dieser jungen Menschen spielen mehrmals pro Woche Onlinespiele. Die zentrale Frage lautet also: Wie erreicht man diese Zielgruppe überhaupt? Da geht es nicht um Sales, sondern darum, erste Kontakte zu knüpfen, Bewusstsein für eine Bank oder das Thema Finanzen zu schaffen. Stichwort: Financial Literacy. Das könnte man auf unaufdringliche Weise mit der Marke verbinden: »Das sind die, die mir mal Finanzen erklärt haben.« So kann eine sehr spannende Reise beginnen.
Wie können wir in Zeiten, die sich herausfordernd und zuweilen zu groß für das einzelne Individuum anfühlen, aktiv werden und Wandel anstoßen? Reicht da das Vertrauen in neue Technologien?
Ich denke, Technologie oder auch Innovation ist ein Katalysator. Beides ist etwas, das Veränderung beschleunigt oder verstärkt. Das kann immer in eine gute oder eine schlechte Richtung gehen. Schauen wir uns das am Beispiel von Artificial Intelligence an: Eine Künstliche Intelligenz kann zur Überwachung, zur Erschaffung von Deep Fakes oder sogar zum automatisierten Ausschluss von Bevölkerungsgruppen genutzt werden. Aber auf der anderen Seite kann sie zum Beispiel auch auf einem Feld auf eine sehr nachhaltige und schlanke Art per Laser Unkraut entfernen oder neue Medikamente entdecken.
Wir können damit also Sachen ermöglichen, die sehr, sehr gut sind. Ich sehe da vor allem viele Start-ups, die mit innovativer Technologie coole neue Produkte bauen. Ich glaube, dass in fast jeder technologischen Innovation immer eine Riesenchance liegt, aber auch ein Risiko, dass sie missbraucht wird. Wenn wir die Chancen sehen und miteinander teilen, entsteht plötzlich ganz viel Hoffnung – weil wir sehen, was man mit Innovation alles Tolles machen kann.
Welchen Stimmen sollten wir in Zukunft mehr Aufmerksamkeit schenken, um eine Zukunft zu realisieren, die für alle wünschenswert ist?
Veränderung ist das, was uns in Zukunft am meisten herausfordert, weil immer mehr Dynamik im System steckt. Das merken wir auch beim Rekrutieren. Du kannst heute eine Person rekrutieren, die sehr viel Fachwissen mitbringt – oder du kannst eine Person rekrutieren, bei der du denkst: »Ich bin überzeugt, dass sie lernen kann.« Das Potenzial erkennt man an Offenheit, an Neugierde, am Umgang mit Unsicherheit. Das ist die eigentliche Schlüsselqualifikation: Man fühlt sich wohl, obwohl man noch nicht alle Informationen kennt. Man weiß noch nicht, ob man wirklich erfolgreich sein wird, aber gerade das motiviert, etwas auszuprobieren. Leute mit diesen Fähigkeiten werden immer einen Weg finden. Sie werden immer versuchen, scheitern, wieder aufstehen, neu versuchen. Diesen Leuten würde ich am meisten Gehör, aber auch Unterstützung bieten. Denn ich glaube, dass das diejenigen sind, die für ihre Idee und ihre Vision kämpfen. Das Beste, was wir meiner Meinung nach als Gesellschaft tun können, ist, ein Umfeld zu erschaffen, das diese teilweise noch zarten Pflänzchen schützt und in ihrem Wachstum unterstützt. Und ich glaube, dass Banken hier, z. B. durch Investitionen in Start-ups, in einzelne Personen, in Ideen oder durch Gründung eines Innovation-Hubs, eine aktive Rolle spielen können.
Also: Das Rezept für eine gute Zukunft?
Es braucht zum einen ein Umfeld, das Ideen schützt und wachsen lässt, damit sie nicht kaputt gemacht werden oder versickern, bevor sie eine Relevanz für die Gesellschaft erreichen können. Zum anderen brauchen wir Personen, die mit Veränderung und Unsicherheit gut umgehen können. Personen, die es schaffen, sich selbst mit genügend Selbstbewusstsein immer wieder zu motivieren. Das sind die Zukunftsmacher und Zukunftsmacherinnen von morgen.