Aufs Team setzen

Milena Rottensteiner

Milena Rottensteiner, Leiterin Sparkassen Innovation Hub, Hamburg
Sie blickt auf eine langjährige Erfahrung im Finanzsektor zurück, unter anderem als Managerin für Digital Financial Services bei der Strategie- und Managementberatung zeb sowie als Consultant in der strategischen Entwicklung eines Direktversicherers. Sie absolvierte ein internationales Studium der Betriebswirtschaftslehre, das sie mit einem Master of Science in International Business an der Maastricht School of Business and Economics abgeschlossen hat. In ihrem Werdegang probierte sie immer wieder Neues, zum Beispiel während eines Freiwilligen Sozialen Jahres in Indien und eines Auslandssemesters in Südkorea.

Was haben Sie unmittelbar vor diesem Gespräch gemacht?
Ich habe mich mit meiner Doppelspitze Anna inhaltlich ins Sparring gebracht. Wir synchronisieren uns in unserer Arbeit sehr eng, tauschen uns aus und beraten uns gegenseitig.

Welche Themen treiben Sie derzeit um?
Wir sind auf mehrere Themen fokussiert. Wir blicken auf Chancen durch technologische Möglichkeiten wie Web 3.0 und NFT (Non-Fungible Token). Ein weiteres Thema, das uns seit Langem umtreibt, ist natürlich die jüngere Generation. Von der Generation Z bis zur gerade für uns aktuellen Generation Alpha. Mit diesen Gruppen im Kopf entwickeln wir Lösungsansätze. Strategisch ist das für uns das absolut wichtigste Thema, das auch für die gesamte Sparkassen-Finanzgruppe aus unserer Sicht eines der wichtigsten Handlungsfelder darstellt. Neben den jungen Kunden haben wir das Thema Female Finance, also Frauen in der Finanzbranche, auf der Agenda. Daneben suchen wir auch nach neuen Geschäftsmodellen für unsere sprichwörtlich »alternde Gesellschaft«.

Welche Nutzer:innengruppen würden Sie in der Welt der Sparkassen gerne bewusster in den Blick fassen?
Für die Welt der Sparkassen würde ich mir wünschen, dass wir uns noch fokussierter und noch konzentrierter auf junge Kunden ausrichten. Dass wir überlegen, wie wir in der aktuellen Gemengelage schneller Angebote auf die Straße kriegen, die einen Effekt bei unseren Kunden erzeugen und die wir auch an die Sparkassen-Finanzgruppe knüpfen können. In Teilen gelingt uns das immer wieder, aber unseres Erachtens noch nicht mit genug Schlagkraft, um bei jungen Kunden – gerade im Teeniealter – durch »Wow-Momente« echte Kundenbindung zu erzeugen.

Welchen Nährboden braucht es Ihrer Meinung nach, damit wertvolle, nützliche und spannende Innovationen überhaupt in die Welt treten können?
Das Wichtigste ist Kollaboration. Wir sind intern eine sehr große Organisation mit den verschiedensten beteiligten Instituten. Und da sehe ich die besten Ergebnisse, wenn wir verschiedenste Parteien an einen Tisch setzen und uns vor allen Dingen auf Inhalte fokussieren und weniger um den Überbau herum agieren. Das braucht sowohl unsere umsetzenden Einheiten als auch unsere fachlichen Experten aus den Sparkassen sowie andere Zukunftsköpfe wie User-Experience-Designer und Innovationsmanager, die sich fokussiert um diese Themen kümmern.

Was machen Sie, wenn Sie keine Lust haben, ins Machen zu kommen? Wie wecken Sie die Motivation in sich?
Das schaffe ich, indem ich aufs Team setze. Wir haben im S-Hub sehr viele Leute, die unfassbar für ihre Themen brennen und die einfach Bock haben, darin voranzukommen. Und wenn ich mich gerade einmal leer fühle oder keinen Anschub finde, dann lasse ich mich inspirieren und mitnehmen von dem Machergeist im Team, das Themen aus einem sehr intrinsischen Interesse treibt. Der zweite Punkt ist tatsächlich der, den ich eingangs genannt habe: Ich finde Motivation im Sparring mit meiner Doppelspitze. Ich genieße das Modell sehr, weil wir uns im Dialog miteinander austauschen und zusammen Entscheidungen treffen können.

 

Wann haben Sie zuletzt etwas Neues gewagt?
Im beruflichen Kontext ist es unsere Aufgabe, Neues auszuprobieren. Das tun wir konsequent. Das letzte Beispiel war die Symbioticon. Wir haben das Format geöffnet, um das Erleben digitaler Lösungen mit Impulsen anzureichern und mit dem Ausarbeiten von innovativen Lösungen selbst zu erproben. Das war das bisher größte und vielfältigste Event für den S-Hub. Der Fokus lag darauf, verschiedenste Leute aus der Sparkassen-Finanzgruppe in unterschiedlichen Tracks, mit Speakern und einem Ideathon zu versammeln.

Was würden Sie gerne als Nächstes ausprobieren?
Im Team hinterfragen wir gerade noch einmal unsere Arbeitsweise und gucken, wo wir uns weiterentwickeln und anders aufstellen können. Wir haben spannende neue Themen priorisiert, auf die wir uns jetzt stürzen, wo wir total offen in Sprints gehen und eigentlich jeden Tag etwas Neues ausprobieren.

Welche Rolle können Sparkassen einnehmen, wenn es darum geht, eine wünschenswerte Zukunft zu gestalten und uns gesellschaftlich positiven Visionen anzunähern?
Es geht natürlich um das Mitwachsen von Finanzdienstleistungen mit veränderten Kundenbedarfen. Das bedeutet eine Flexibilisierung unserer Services. Wir sprechen viel – und haben es auch jetzt wieder auf der Agenda – vom Thema Embedded Finance. Dabei geht es um das nahtlose Anschließen von Finanzdienstleistungen an die Lebensrealitäten der Kunden. Das Banking soll kein Schmerzpunkt bleiben, der zeitraubend ist, sondern sich an die alltäglichen Transaktionen anschließen. Dafür ist aber erst einmal noch sehr viel Grundlagenarbeit im Sinne von infrastrukturellen Voraussetzungen für Flexibilisierung anzugehen.

Wie kann ein erster Schritt aussehen, um sich dem anzunähern?
Ich würde sagen, dass es eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit Kundenwünschen braucht. Zentral ist dabei das konsequente Betrachten unserer Zielgruppen, der verschiedenen Generationen und immer wieder auch das Übersetzen von technischen Anforderungen. Ich würde sagen, es braucht einen kontinuierlichen Prozess, in dem wir uns auch befinden – auf dem wir aber deutlich schneller werden können.

Welche Rolle spielen kleine Innovationsinseln wie der S-Hub für große Organisationen, um sich weiterzuentwickeln und Zukunft zu gestalten?
Unsere Rolle als Innovation Hub ist es, das Bewusstsein für Zukunftsthemen und die Auseinandersetzung mit ihnen anzuregen. Dazu gehört auch immer wieder, Leute hier in die Freifläche zu holen und Impulse zu geben, um sich als Gesamtgruppe bestimmten Themen gegenüber zu öffnen. Eine Funktion von uns ist es, verschiedenste Innovationstreiber zusammenzubringen und Impulse zu liefern, damit diese doch sehr, sehr große Gruppe – man kann ja von Europas größter Bankengruppe sprechen – die Geschwindigkeit erhöhen und kleine Satelliten losschicken kann. Kontinuierlich auf relevante Themen zu zeigen und Vorschläge zu machen, das ist unsere Rolle.

Wie machen Sie und Ihr Team Lust auf Zukunft?
Auf der einen Seite, indem wir selbst für die Themen brennen, und auf der anderen, indem wir die Methodik im Griff haben. Das beinhaltet auch, Anderen auf Augenhöhe zu begegnen und sich aus hierarchischen Strukturen herauszulösen. Wir sind ein verhältnismäßig diverses Team für die Sparkassen-Finanzgruppe. Was wir machen, ist einfach: das Rausholen in andere Kontexte, das Vermitteln der eigenen Begeisterung und das Zeigen wirklich handfester Methoden, mit denen sehr schnell gemeinsam Ergebnisse erzielt werden können.
Hier haben wir einen einzigartigen Methodenschatz aufbauen können zur iterativen Lösungsentwicklung und kontinuierlichen Verprobung mit Kunden. Also: weg vom reinen Philosophie-Charakter und hin zum schnellen Prototyping. Etwas Anfassbares zeigen, Klick-Dummies erstellen, konsequent am Kunden testen. Sich gebündelt mit solchen Themen zu befassen, diese zu konkretisieren und sich dafür zwei, drei Tage freizuräumen, ist nicht nur Luxus, sondern kann sehr schnell Ergebnisse produzieren.

Was treibt Sie in Ihrem Handeln an?
Gestaltungswille. Und die Vision, meinem Team in meiner Rolle den Rahmen zu schaffen, die eigenen Visionen zu realisieren und ein gutes, menschliches, produktives Miteinander zu ermöglichen. Dazu gehört, uns zu öffnen, was z. B. die Flexibilisierung von Arbeitsweisen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf betrifft, um neue Wege aufzuzeigen, wie Arbeit besser  gestaltet werden kann.

Was zeichnet für Sie eine:n Zukunftsmacher:in aus?
Das Gegenteil von Starre, das In-Bewegung-Bleiben. Die Suche nach Chancen und Lösungen, um sich täglich zu fragen, was besser werden kann – und wie unser Beitrag dazu aussehen kann.

Zukunft machen

Experimente wagen

Es gelingt oder missglückt, ist kühn oder gefährlich und oft haben wir nicht im Mindesten Lust darauf. Worauf? Auf das Experiment. Zu unsicher erscheint es uns, wertvolle Zeit auf etwas mit unbekanntem Ausgang zu verwenden. Warum Sie trotzdem das ein oder andere Experiment wagen sollten? Weil Experimente das Fundament unseres Wissens sind. Hätte in der Vergangenheit niemand experimentiert, wären wir heute vermutlich nur halb so schlau. Experimente erlauben es uns, neue Sachverhalte aufzuspüren und Fragen zu stellen, auf die wir vorher nicht gekommen wären. Neue Fragen fungieren wiederum als Einfallstor für neue Antworten. Neue Antworten eröffnen neue Handlungsspielräume.

Wer experimentiert, produziert also Neues, egal, ob Wissen oder Innovation. Das heißt also, um den Historiker Hans-Jörg Rheinberger zu zitieren: Ein Experiment ist die reinste Zukunftsmaschine.