"Wir setzen technologische Maßstäbe im Banking"

Matthias Walter, Geschäftsbereichsleiter C/S Banking Plattform bei der Finanz Informatik, spricht über seine ganz persönliche Motivation und Inspiration im Job, über die aktuellen Herausforderungen für die technische Infrastruktur, Green IT Ansätze und die Cloud-Strategie beim Digitalisierungspartner der Sparkassen-Finanzgruppe.

1. Herr Walter, Sie verantworten mit Ihren Teams die technische Infrastruktur und deren Architektur für Banking-Anwendungen der Sparkassen. Was sind die wichtigsten Aufgaben und Herausforderungen in diesem Verantwortungsbereich?

Gehören Sie zu den 14 Millionen Nutzerinnen und Nutzern der App Sparkasse oder den rund 30 Millionen Online-Banking-Kundinnen und -Kunden der Sparkassen? Dann werden Sie zu Recht erwarten, dass ihre Daten immer sicher sind, dass ihre Transaktionen schnell ablaufen, dass die Anwendungen immer online sind und wahrscheinlich noch ein wenig mehr. Gleiches gilt für die Mitarbeitenden in der Sparkasse, die unsere Anwendungen verwenden, um einen Kredit zu vergeben oder um ein Wertpapier zu beraten.

Dafür sind unter anderem meine Teams verantwortlich. Unsere Aufgabe ist es, die komplexe IT-Basis für die Anwendungen unserer Kund:innen bestmöglich zu designen, immer aktuell zu halten und immer weiter zu optimieren.

Wir führen an den hochkomplexen Systemen in unserem Umfeld jährlich mehr als 100.000 technische Änderungen durch. Hierbei setzen wir modernste Technologien ein, damit all diese sogenannten "Changes" so autonom wie möglich und idealerweise mit dem erwarteten Erfolg umgesetzt werden können.

Was mich direkt zur wichtigsten Herausforderung bringt: Es ist unser Selbstverständnis, unsere Services nicht nur hochverfügbar, sondern auch so kostengünstig, wie eben möglich, zu erbringen!

Um das zu erreichen, stellen wir unsere technischen Infrastrukturen und die zugrundeliegenden Architekturen immer wieder auf den Prüfstand. Technologie entwickelt sich rasant weiter und es kann durchaus sein, dass eine Infrastruktur, die vor 3-5 Jahren noch sehr modern und effizient war, nun bereits in die Jahre gekommen ist.

Und da gilt es dann abzuwägen, wann der beste Zeitpunkt ist, diese abzulösen – sowohl im Sinne der Verfügbarkeit der darauf produzierten Anwendungen als auch unter kaufmännischen Aspekten.

Wir als Finanz Informatik können durch ein optimiertes Life-Cycle-Management unserer technischen Infrastrukturen viele positive Skaleneffekte für die Sparkassen erzielen. Allein schon durch unsere Größe und dadurch, dass wir im großen Umfang über eigene Rechenzentren verfügen, die wir effizient betreiben und die wir, gerade was den Infrastruktur-Lifecycle angeht, sehr genau steuern können.

Neben der Verfügbarkeit und der Wirtschaftlichkeit steht bei uns natürlich auch das Thema Sicherheit sehr stark im Fokus. In allen Branchen wächst jedes Jahr die Herausforderung, IT-Systeme und Daten zuverlässig vor kriminellen Angriffen zu schützen. In der Finanzbranche sind die Erwartungen an Sicherheit besonders hoch und die Compliance-Regeln besonders streng. Hier unternehmen wir alle Anstrengungen, um trotz hoher Sicherheit und Compliance nicht die erforderliche Geschwindigkeit und Flexibilität zu verlieren.

Eine für uns besonders spannende Entwicklung ist zudem der Wandel in der IT durch sogenannte Cloud-Services. Also Software und IT-Lösungen, bei denen Daten oder Rechenleistung internetbasiert bereitgestellt werden. Der Schutz unserer Systeme und die Bereitstellung von konkurrenzfähigen Cloud-Services speziell für die Anforderungen in der Sparkassen-Finanzgruppe gehören global gesehen zu unseren größten neuen Herausforderungen.

 

2. Cloud-Technologien versprechen Skalierbarkeit, Flexibilität und Geschwindigkeit zu geringen Kosten. Bei der Nutzung solcher Cloud-Technologien gehen Unternehmen durchaus verschiedene Wege. Wie sieht die Cloud-Strategie in Ihrem Unternehmen aus?

Wir verstehen uns schon seit Jahren als der Community-Cloud-Provider der Sparkassen-Finanzgruppe in Deutschland – und diese Rolle nehmen wir auch sehr ernst! Bereits bevor das Geschäftsmodell „Cloud“ diesen Namen erhielt, hat die Finanz Informatik für ihre Kunden schon in diesem Modell gearbeitet.

Community-Cloud bedeutet: Die Nutzung durch eine bestimmte Gemeinschaft, in einem bestimmten Raum und mit definierten Regeln. Aus der Perspektive der Sparkassen ist unsere OSPlus-Finanzplattform eine Community-Cloud, die in den Rechenzentren der FI in Deutschland bereitgestellt wird.

Neben der Community-Cloud gibt es den wachsenden Trend hin zur Public-Cloud-Lösungen, beispielsweise von großen, internationalen Anbietern wie Microsoft, Amazon oder Google. Natürlich verschließen wir unsere Augen nicht vor diesen Entwicklungen und den vermeintlich bestehenden Vorteilen.

Wir beobachten diese Trends sehr genau und ergänzen auch heute schon unsere eigene Infrastruktur gezielt durch Public-Cloud-Angebote überall dort, wo es technologisch umsetzbar, kostenseitig sinnvoller und regulatorisch abbildbar ist.

Wir nennen diese Cloudstrategie „Cloud Smart!“. Also immer wieder smart zu entscheiden, was wir selbst produzieren wollen (und dies auch kostengünstig können!) und was wir besser von einem Cloud-Provider clever integrieren.

Zum Beispiel entwickeln wir Methoden der künstlichen Intelligenz (KI) in der Regel nicht selbst, sondern integrieren diese gezielt und unter Wahrung unserer Standards in unsere eigenen Anwendungen und Lösungen.

Aktuell sind für uns bei Art und Umfang der Public-Cloud-Nutzung bestimmte Grenzen gesetzt. Bedingt durch das regulierte Bankenumfeld und die Verantwortung für eine kritische Infrastruktur in Deutschland werden wir einen Großteil unserer IT-Leistungen auch weiterhin in unseren eigenen Rechenzentren abwickeln.

Falls die Rahmenbedingungen sich einmal ändern, sind wir allerdings heute schon darauf vorbereitet, weitere Schritte in Richtung stärkerer Public-Cloud-Nutzung zu gehen.

Aber selbst in einem solchen Szenario wollen wir Risiken minimieren und uns nicht von einem einzelnen Anbieter abhängig machen. Um einem solchen „Hyperscaler Lock-In“ zu vermeiden, würden wir hier klar einen Multi-Cloud-Ansatz mit mehreren Anbietern präferieren. Wie gesagt: „Smart“ eben.

 

3. Und wie stellen Sie sicher, dass Sie technologisch mit den großen Public-Cloud Anbietern wie Microsoft Azure, Amazon Web Services oder Google-Cloud-Plattform mithalten? Ist das überhaupt möglich?

Wir sehen uns nicht als Konkurrent dieser „großen Drei“. Das können und wollen wir auch nicht sein. Dazu ist unser Angebot zu bedarfsorientiert. Wir orientieren uns primär an den Anforderungen unserer Kunden, den Instituten der Sparkassen-Finanzgruppe. Wir stellen also Cloud-Services bereit, die auf eine sehr spezifische Branche zugeschnitten sind.

Unsere Größe erlaubt es uns aber überall dort, wo es sinnvoll ist, in unseren Rechenzentren Technologien einzusetzen, die mit denen der genannten Hyperscaler absolut vergleichbar sind. Dies ist z. B. im Umfeld der Container-Technologie der Fall. Hier haben wir gemeinsam mit Red Hat, einem der weltweit führenden Anbieter von Lösungen für hybride Cloud-Infrastrukturen, eine weitgehend automatisierte, auf dem Marktstandard Kubernetes basierende Container Plattform implementiert. Diese Lösung ermöglicht die Nutzung agiler Entwicklungsmethoden mit adäquater technologischer Unterstützung wie z. B. einer CI/CD Pipeline – und das mit einer durchaus vergleichbaren Effizienz.

Natürlich sind die Angebote der Hyperscaler für uns immer auch ein Ansporn - insbesondere was den Preis angeht. Aber da schlagen wir uns gar nicht schlecht. Und man darf dabei ja auch nicht vergessen, dass alle unsere Services vollumfänglich der vorgeschriebenen Regulatorik der deutschen Bankenaufsicht genügen. Das ist bei im wesentlichen amerikanischen Hyperscalern selbst mit in Deutschland betriebenen Rechenzentren nicht immer so gewährleistet, wie mancher sich das vorstellt.

 

4. Der Betrieb einer großen IT-Infrastruktur kann mitunter sehr energieintensiv sein. Wie blicken Sie vor diesem Hintergrund auf Herausforderungen, die mit dem hohen Nachhaltigkeitsanspruch in der heutigen Zeit oder auch der aktuellen Energiekrise einhergehen?

Green IT als Grundsatz ist für uns bei der Finanz Informatik nicht neu. Als großer Betreiber von technischen Infrastrukturen wollen wir natürlich unserem Nachhaltigkeitsanspruch Rechnung tragen und auch zur Kostenminimierung beitragen.

Unsere Anlagen werden seit Jahren fast ausschließlich mit Ökostrom betrieben, den wir gezielt über langfristige Energieverträge beziehen. Bei den von uns und unseren Tochterunternehmen betriebenen Rechenzentren streben wir stets die höchstmögliche Energieeffizienz an. In der neuesten Generation kommen zum Beispiel modernste Klimatisierungskonzepte wie der KyotoCooling-Wärmetauscher zum Einsatz. Auch in anderen Bereichen unserer Wertschöpfung, wie Entwicklung und Produktion, gibt es immer wieder neue Potenziale, effizienter zu arbeiten und damit auch Energie zu sparen.

Aber die aktuelle Energiekrise, in der wir uns wie viele andere Länder Europas zurzeit befinden, ist natürlich eine besondere Herausforderung. Wir denken daher aktuell konsequent „in neuen Wegen“ und gehen dabei auch deutlich über die bisherige Praxis hinaus.

Im Rahmen einer Vorstudie identifizieren wir aktuell Handlungsfelder, wo wir gezielt Infrastrukturen verkleinern oder auch vermeidbare Redundanzen reduzieren können. Das muss mit viel Augenmaß geschehen, denn natürlich dürfen bei unseren Kund:innen keine spürbaren Einschränkungen bei der Nutzung oder bei der Verfügbarkeit unserer Services entstehen.

Eine weitere Maßnahme kann darin bestehen, die Umstellung auf neuere Technologien, die eigentlich für einen späteren Zeitpunkt geplant waren, zeitlich vorzuziehen. Wenn diese neuen Technologien effizienter sind, weniger Hardware oder Rechenleistung benötigen, kann auch hierdurch ein Beitrag zur Reduktion des Stromverbrauchs erzielt werden.

Daneben schauen wir uns aktuell gezielt an, wo und wie wir die Abwärme aus unseren Rechenzentren zu Heizzwecken einsetzen können.

Es gibt hier noch viele weitere gute Ideen und wir machen gute Fortschritte, aber es ist keine Kleinigkeit. Ich würde schon sagen: In meiner gesamten Zeit bei der Finanz Informatik ist die aktuelle Energiekrise eine der größeren Herausforderungen.

 

5. Sie sind seit Abschluss Ihres Mathematikstudiums bei der FI. Hätten Sie damals erwartet, dass es eine so lange Zeit werden würde?

Nein. Damals hatte ich mir vorgenommen, etwa alle drei Jahre nach einer neuen Herausforderung in einem neuen Unternehmen zu suchen. Aber es gab immer wieder neue Chancen, spannende Herausforderungen und anspruchsvolle Aufgaben, die mich bei der FI gehalten und stets aufs Neue fasziniert haben.

Die FI zeichnet sich durch ihre einzigartige Zielgruppe – über 360 Sparkassen und Verbundpartner und deren rund 50 Millionen Kund:innen – und durch eine entsprechend unvergleichbare Position am Markt aus. Wir werden von Top-Unternehmen der Technologiebranche sehr ernst genommen und setzen technologische Maßstäbe im Banking. Das bietet vor allem für unsere Mitarbeitenden enorme Potenziale. Wer gestalten will, bekommt bei uns viele Möglichkeiten.

Ich persönlich hatte immer das Glück, an Führungskräfte zu geraten, die mir viel Freiraum und Bestätigung gegeben haben. So hatte ich durch die FI die Chance, in den verschiedensten Ecken Deutschlands zu arbeiten und gemeinsam mit Partnern der FI auch in verschiedenen Ländern außerhalb Deutschlands. Mein persönlicher Karriereweg verlief dabei recht klassisch: Erst über die Rolle des Abteilungsleiters, gefolgt von der Rolle des Bereichsleiters und dann – seit ca. 8 Jahren – in der Rolle als Geschäftsbereichsleiter.

Diese „Rollen“ waren mir aber nie sehr wichtig. Für mich zählte vor allem die Möglichkeit, eigenständig Dinge in die Tat umzusetzen und im Team etwas „Besonderes zu schaffen“ – und davon gab es einiges. Vieles davon war erfolgreich. Manches war seiner Zeit voraus. Und manches lief auch einfach schief. Aber vieles existiert heute noch – und darauf kann man als Team rückblickend natürlich auch ein bisschen stolz sein.

Zusammengefasst inspiriert mich bei der FI also vor allem der Grad der Entscheidungsfreiheit und die vielen talentierten Menschen, die einen weiterbringen, von denen man lernen kann oder mit denen die Zeit einfach Spaß macht.

 

6. Was ist Ihnen in der gelebten Führungsverantwortung wichtig – persönlich und bei den Führungskräften in Ihrem Geschäftsbereich?

Mein Job vereint zwei meiner intensivsten Interessengebiete. Zum einen die Neugier und den Spaß an Technologie. Und zum anderen mein Interesse an Menschen und deren Motiven, Werten und wie sie miteinander interagieren.

Vor allem Letzteres – das aktive Interesse an Menschen – ist meiner Meinung nach für meine Rolle als Führungskraft und für Führungskräfte im Allgemeinen besonders essenziell.

In meinem Team ist mir besonders wichtig, dass alle gleich wertvoll sind und auf Augenhöhe miteinander interagieren. Nicht die Position zählt, sondern die Kompetenz. Wir streben einen hohen Grad an Eigenverantwortung an, auf Grundlage von Offenheit und Vertrauen. Wir brennen leidenschaftlich für die Themen, die uns beschäftigen. Und wir helfen uns gegenseitig. Jede einzelne Person bei uns hat enormes Wissen – und das wertschätzen wir. Am Ende soll die Arbeit Spaß machen.

 

7. Abschließend die Frage: Welchen Rat würden Sie heute Ihrem 20-jährigen „Ich“ mitgeben?

Ein abschließender Rat an mein „20-jähriges Ich“: Beschäftige dich mit Resilienz, schaue jeden Morgen in den Spiegel und frage dich, ob du dich auf den Tag freust. Wenn du zu oft mit Nein antwortest, frage dich, warum und ändere etwas an deiner Situation. Arbeite möglichst mit Menschen, die die Werte vertreten, hinter denen auch du stehst.