Kolumne Pascal Finette
Die Geschichte zweier Brüder
Von Pascal Finette*
Es war einmal: Apple und Facebook verband einst eine enge Freundschaft. Unter der Ägide von Steve Jobs entwickelte Apple sogar eine Integration von Facebook in seine beiden Betriebssysteme MacOS und iOS. In einer seiner legendären Keynotes richtete Jobs damals einen freundlichen Gruß an Zuckerberg.
Von dieser Verbundenheit ist heute nichts mehr zu sehen. Was mit ein paar kleinen Querelen im Verborgenen begann, hat sich inzwischen zu einem regelrechten Stellungskrieg entwickelt. Apple kritisiert öffentlich die Datenverarbeitungs- und Datenschutzpraktiken von Facebook, das wiederum mit ganzseitigen Anzeigen im Wall Street Journal kontert. Der Konflikt scheint unversöhnlich: Während Apple unter dem Banner des Datenschutzes für seine eigenen Nutzer Position bezieht, argumentiert Facebook damit, dass Werbung in den Chroniken für kleine und mittlere Unternehmen unverzichtbar sei.
Wer einen Blick hinter die öffentlich geführte Auseinandersetzung wirft, sieht, dass es hier um ein weitaus größeres Thema geht: Das Aufeinanderprallen zweier diametral entgegengesetzter Geschäftsmodelle. Da steht auf der einen Seite Apple – eine Firma, die ihr gesamtes Geld (und zwar irrsinnig viel davon) damit verdient, uns ihre Hardware zu verkaufen und uns dazu zu verleiten, dass wir uns in ihr Ökosystem aus App-Stores und Inhalten einkaufen. Auf der anderen Seite steht Facebook, welches sein gesamtes Geld (eine ebenso irrsinnige Menge) damit verdient, uns alle seine Produkte kostenlos zur Verfügung zu stellen – jedoch im Tausch für immer mehr an persönlichen Daten, die das Unternehmen für sein zielgruppenorientiertes Werbegeschäft verwertet.
Dahinter steckt ein gesellschaftliches Dilemma
Der Konflikt dieser zwei Riesen deutet darauf hin, dass sich ein Sturm zusammenbraut in der Tech-Community und sich ein gesellschaftliches Dilemma anbahnt: Entweder die Nutzer zahlen oder sie werden selbst zum Produkt. Mit der ständig wachsenden Macht der prädiktiven Algorithmen, also jenes Umstandes, dass man für ein Produkt zahlt, indem man einwilligt, sich dessen Marketing zu unterwerfen, geben die Nutzer immer mehr ihrer persönlichen Daten preis. Und verlieren damit auch die Kontrolle über ihren eigenen freien Willen – wie man an der anhaltenden Debatte über die Beeinflussung von Wählern im Vorfeld von Wahlen in aller Welt beobachten kann.
All diese Entwicklungen zeichnen ein düsteres Bild von der Zukunft, die uns bevorstehen könnte – eine Zukunft, in der diejenigen, die es sich leisten können (und dazu gewillt sind), für Produkte und Dienstleistungen mit ihrem hart verdienten Geld zu bezahlen (in unserem Beispiel also diejenigen unter uns, die sich ein iPhone leisten können), sich aus dieser Aufmerksamkeitsökonomie herauskaufen können, während all diejenigen, die weniger Glück haben, keine andere Wahl haben werden, als sich im Dienste des kommerziellen Gewinns manipulieren zu lassen.
Das lässt den Konflikt zwischen Apple und Facebook als eine interessante Fallstudie erscheinen, die wir beobachten sollten. Werden wir es als Gesellschaft zulassen, dass dieser Konflikt als eine Schlacht zwischen zwei privat geführten Unternehmen ausgetragen wird, denen es darum geht, ihre Geschäftsmodelle (und damit ihren Shareholder Value) zu verteidigen? Oder werden wir intervenieren, die tiefer liegenden Probleme zur Kenntnis nehmen und Richtlinien und Regelwerke schaffen, die den gleichen Schutz der Privatsphäre auch denjenigen einräumen, die möglicherweise nicht mit ihrem Geldbeutel wählen können?
*Pascal Finette berichtet regelmäßig für das ITmagazin aus dem Silicon Valley. Er zählt zu den Internet-Pionieren in Deutschland und gründete in den 90er-Jahren ein Start-up. Es folgten Stationen bei Ebay und Google. Heute ist er Executive Director der Singularity University, einem kalifornischen Think Tank, der Bildungsprogramme entwickelt und Jungunternehmer »auf die digitale Revolution« vorbereitet.
Mehr zu ihm unter www.finette.com