FI-Connect: Die Foren

Gemeinsam mehr!

Der zweite Tag der FI-Connect 2019 stand mit seiner Mischung aus Vorträgen, Dialogrunden und einer Ausstellung ganz im Zeichen von Kommunikation und Interaktion. Den Auftakt bildete eine Talkrunde unter dem Motto »Gemeinsam – mehr!« Wie kann man gemeinschaftlich mehr im Sinne der Kunden wie auch der Sparkassen erreichen und welche praktischen Aufgaben für die jeweiligen Partner erwachsen daraus?

ITmagazin 4/2019

Gemeinsam – mehr!
(v.l.n.r.:) Kai Ostermann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Leasing, Dr. Joachim Schmalzl, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des DSGV, Franz-Theo Brockhoff, Vorsitzender der Geschäftsführung der Finanz Informatik und Dr. Michael Stollarz, Vorsitzender der Geschäftsführung der DSV-Gruppe, eröffneten nach einer kurzen Talkrunde die Digitalkonferenz.

 

 

Forum 1

KUNDENWÜNSCHE ERFÜLLEN IM DIGITALEN ZEITALTER 

Zum Auftakt des Forums präsentierten Dr. Peter Boße, Bereichsleiter IT, und Marco Ratschiller, FI-Verbundbeauftragter von der Versicherungskammer Bayern, die Anwendung »S-Versicherungsmanager«. Sie stellten den aktuellen Stand vor und zeigten dabei auf, welcher Mehrwert sowohl für die Sparkasse, die Kundenberater als auch für den Kunden generiert, und wie die Kundenbindung gerade bei online-affinen Kunden erhöht werden kann. Insbesondere durch die tiefe Integration in OSPlus_neo sind effiziente Prozesse entstanden, die den Sparkassenmitarbeiter im Beratungs- und Verkaufsgespräch mit dem Kunden unterstützen. Somit bleibt mehr Zeit für das Kundengespräch. Für den Kunden selbst stellt die Anwendung ebenso ein Erlebnis dar, denn er hat online seine eigene Sicht auf den S-Versicherungsmanager. Die Anwendung wurde in acht Pilotsparkassen erfolgreich getestet und geht jetzt in den Regelbetrieb über. Parallel zum Rollout wird die Weiterentwicklung der Lösung vorangetrieben.
Anschließend berichtete Bernd Wittkamp, Vorsitzender der Geschäftsführung der Star Finanz (Sparkassen Innovation Hub), über den diesjährigen Hackathon der Sparkassen-Finanzgruppe, der vom 4. bis 6. November in Hamburg stattgefunden hatte. Als Einführung in das Thema stellte er den Zuhörern kurz die Star Finanz sowie den Sparkassen Innovation Hub (S-Hub) vor und erläuterte, was sich hinter dem Begriff Hackathon verbirgt. Nachfolgend stand die »symbioticon 2019« im Fokus, der bislang vierte vom S-Hub veranstaltete Hackathon. Das Team Techforce nutzte die Gelegenheit, seine Siegeridee noch einmal einem breiteren Publikum vorzustellen: eine mobile und für die Zielgruppe der jugendlichen Teilnehmer zeitgemäße Interpretation des »Planspiel-Börse«. Anders als noch beim Hackathon stand dafür diesmal auch etwas mehr Zeit zur Verfügung, musste die Idee im Live-Pitch auf der symbioticon doch innerhalb von gerade einmal drei Minuten die Zuhörer überzeugen. Man darf gespannt sein, welche weiteren der auf dem Hackathon prämierten Gewinnerideen zu einem erfolgreichen Produkt für die Sparkassen-Finanzgruppe weiterentwickelt werden.
Den Abschluss im Forum 1 bildete der Vortrag von Michael Koßmehl, Leiter innovationLab der Frankfurter Sparkasse. Er stellte das Konzept »friends in banks« vor, wobei der Kunde durch die Beantwortung von einigen Fragen mittels Algorithmus den für ihn passenden Berater finden soll. Dafür holte sich das Team aus Frankfurt gleich zu Beginn Experten dazu. So nutzte man beispielsweise die Expertise einer Partnervermittlung, holte sich Rat bei einem Wirtschaftsmediator und berücksichtigte, was sich denn der Kunde selbst wünscht. Herausgekommen ist eine Lösung, die letztlich sowohl bei den Kunden als auch den Sparkassenberatern gut ankommt. Der eigens gedrehte Film hat mittlerweile rund 240.000 Views auf Youtube und sorgte wohl mit dafür, dass sich von Anfang an rund 83 Prozent aller Berater beteiligten. Durch gezielte Plakatwerbung und Social-Media-Aktivitäten kommt die Aktion auf bislang rund 190.000 Seitenaufrufe im Internet. Ein erfolgreiches Konzept, das auch von anderer Seite wahrgenommen wird und bereits zwei Preise gewonnen hat. 

  

Forum 2

DATEN IM SPANNUNGSFELD ZWISCHEN GESCHÄFTSERFOLG  UND GESETZLICHEN RAHMENBEDINGUNGEN 

»In mir schlägt noch immer ein kleines rotes Herz«, bekannte der FinTech-Experte und paymentandbanking- Blogger André M. Bajorat gleich zu Beginn seines engagiert vorgetragenen Beitrags. Sehr früh sei hierzulande der Grundstein für ein innovatives Open-Banking gelegt worden. Leider habe man dann aber aus ganz verschiedenen Gründen versäumt, auf diesem Fundament etwas aufzubauen. Inzwischen habe sich die Situation aber grundlegend verändert – nur mit Netzwerken sei es noch möglich, ein erfolgreiches Banking in Zukunft zu betreiben. Längst arbeiten Technologieunternehmen daran, Payment und Banking tief in das eigene Betriebssystem zu verlagern. Dennoch verfügten die Sparkassen über eine gute Ausgangslage – mit ihrer großen Zahl an Kunden; mit ihrem  tief verwurzelten Wissen über den Kunden. Mit einer anderen, neuen Denkweise und einer flexiblen wie schnellen IT gebe es seiner Ansicht nach echte Chancen, denn die ideale »Sparkasse der Zukunft« sei für ihn das digitale transparente finanzielle Zuhause für den Kunden. »Damit meine ich aber nicht die Internet-Filiale«, mahnte André M. Bajorat an.
Einen Blick in den Fernen Osten, vielleicht aber auch in die Zukunft des Zahlungsverkehrs, gab danach Björn Conrad, CEO und Mitgründer der auf China spezialisierten Berliner Denkfabrik Sinolytics. Sein Vortrag »Big Data in China – Vom FinTech bis zum Social Credit System« zeigte eindrucksvoll, dass die Digitalisierung derzeit nirgendwo so schnell abläuft wie in der Volksrepublik China. »Sie fallen in Beijing heute regelrecht auf, wenn sie nicht mit dem Mobiltelefon, sondern mit Bargeld bezahlen«, berichtete Björn Conrad von seinen regelmäßigen Aufenthalten in der chinesischen Hauptstadt. »Ob beim Gemüsehändler oder Straßenmusiker – alles kein Problem.« Die Gründe hierfür seien vielfältig und auch umfassender, als man im Westen häufig annehme. So gebe es eine stark technikaffine Gesellschaft, ein anderes Verständnis von Sicherheit und nicht zuletzt den Mut, Produkte auch unfertig auf den Markt zu bringen. Mobile-Payment-Lösungen spielten in dem Land, das die Desktop-PCs und Notebooks übersprungen habe, eine wichtige Rolle. All dies sei jedoch keine zufällige Entwicklung, sondern vor langer Zeit von der Regierung geplant und durchgeführt. Genauso wie die beinahe flächendeckende Versorgung mit einem 4G-Mobilfunknetz und den Start des 5G-Netz-Aufbaus.
Das Netz stand auch im Mittelpunkt des dritten Vortrags. Genauer gesagt die Frage, wie man sich sicher im Netz bewegt – ohne dabei gehackt zu werden. Linus Neumann, Jahrgang 1983 und nach eigener Aussage seit 1989 mit Computern befasst, startete noch vor seinem eigentlichen Vortrag mit einem Film: In gelber Schrift auf schwarzem Hintergrund zogen, auf die aus den Star-Wars-Filmen bekannte Weise, rund 4.000 E-Mail-Adressen über den Bildschirm. Alles Adressen, deren Passwörter gehackt wurden und die für findige Programmierer und Hacker relativ einfach im Netz zu finden sind. Mehr als Grund genug für den Berliner IT-Sicherheitsberater, mehrfach auf die elementare Bedeutung von Passwörtern hinzuweisen. Passwörter, die zudem gewissen Prinzipien gehorchen und nicht einfach zu erraten sind. Idealerweise werden sie in einem Passwortmanager sicher aufbewahrt, der natürlich wieder selbst verschlüsselt ist. Gründe für Schwachstellen gebe es viele, sodass für Linus Neumann ein wichtiges Fazit laute: »Sicherheit ist kein Zustand, sondern ein immerwährender Prozess«. Das regelmäßige Backup der wichtigsten Daten sei dabei elementar; genügend große Speichermedien für einen geringen Preis verfügbar. Häufig genug werde er als Hacker und Mitglied des Chaos Computer Clubs nämlich erst dann um Rat gefragt, wenn bereits ein Cyber-Angriff stattgefunden habe. Seine Antwort darauf sei dabei stets die gleiche: »Kein Backup, kein Mitleid!«.   

 

Forum 3

NEW WORK:  SCHÖNE NEUE ARBEITSWELT? 

New Work: wieder nur so ein Trendwort? Grundsätzlich gilt: Die Arbeitswelt ist im Wandel und Unternehmen müssen sich neu organisieren, um die Herausforderungen der Digitalisierung zu meistern. Stichworte wie Agiles Management weisen auf eine neue Art der Unternehmensführung hin. Andreas Steinle, Geschäftsführer beim Zukunftsinstitut Workshop, berichtete von den »Machern des Wandels« – Unternehmen, die sich neu und erfolgreich organisiert haben. Zum Beispiel von »sipgate«, wo die Mitarbeiter auf Hierarchien, Abteilungen und Überstunden verzichten, stattdessen in autonomen Teams mit Spaß arbeiten und eine gemeinsame Wissens- und Feedbackkultur pflegen. Wichtig sei bei allen Veränderungen, so Andreas Steinle, die Kommunikation zu fördern. Das gelinge zum einen durch eine entsprechende Architektur, ein Raum-Design, das ein Aufeinandertreffen der Mitarbeiter fördere. Oder auch die einfache wie geniale Idee, die Anzahl der Kaffeemaschinen zu reduzieren: »Die eigentliche Arbeit findet an der Kaffeemaschine statt«, ist der Zukunftsforscher überzeugt. Generell sei das Socializing bei den Top-Unternehmen aktiver Bestandteil der Kultur und in der Regel 185 Prozent höher als bei durchschnittlichen Unternehmen. Zum anderen müsse das Fragenstellen wieder gelernt werden. »Alles beginnt mit einer Frage«, ermutigt Andreas Steinle, »besonders dann, wenn sie auf die Zukunft gerichtet ist.« Dies sei denn auch die wichtigste Eigenschaft, die eine Führungskraft ausmache: Neugier. »Sie müssen nicht kreativer, visionärer oder innovativer sein als andere. Sondern paranoid, was Veränderungen angeht. … Stay curious!«
Neugierig waren sicher auch die Mitarbeiter der ING, als der neue Vorstandsvorsitzende verkündete, die Bank in 18 Monaten zu einer agilen Bank machen zu wollen. Seit dem 1. September ist es soweit: Die erste agile Bank Deutschlands arbeitet nun nicht mehr hierarchisch, wie Eliza Manolagas berichtete, sondern »kollaborativ und vernetzt«. Die Referentin für Organizational Development bei der ING betonte, dass agiles Arbeiten eine sehr strukturierte Arbeitsform ist. Dafür war es notwendig, »die gesamte Mannschaft umzukrempeln, Business und IT sowie Front- und Backoffice zusammenzubringen.« Die Entscheidungsprozesse wurden verändert, die Hierarchie-Ebenen von sieben auf drei reduziert, Teams und Squads etabliert, die autonom arbeiten. »Ein bisschen agil arbeiten geht nicht«, sagt Eliza Manolagas. »Die Transformation hat Auswirkungen auf die gesamte Kultur und Strategie des Unternehmens. Bei alldem hatten wir keinen fertigen Plan in der Schublade. Umso wichtiger war es, für Transparenz zu sorgen und die Mitarbeiter im Dialog mitzunehmen. Dazu gehörte, Zusammenhänge aufzuzeigen und auch über Probleme zu sprechen«, so die Referentin. Was will die ING mit ihrer agilen Ausrichtung erreichen? »Wir wollen schneller, effizienter und innovativer werden sowie Kundenerlebnisse schaffen.  Als Unternehmen müssen wir uns die Frage stellen: Liefern wir kontinuierlich Wert? Wir wollen auch ein guter Arbeitgeber sein und das Mitarbeiter-Engagement erhöhen.« Dafür sei es wichtig, ein Klima zu schaffen, in dem sich die Mitarbeiter sicher fühlen.
Wie wichtig es ist, die Mitarbeiter bei allen Veränderungen mitzunehmen, erläuterte auch der Digitalisierungs-  Experte Ibrahim Evsan: »Man kann Unternehmen nicht digital transformieren ohne die Menschen zu überzeugen, sich auf den digitalen Wandel einzulassen und diesen mitzugestalten.« Als Unternehmen brauche man aber ein übergeordnetes Motto im Sinne von: Was wollen wir werden oder was wollen wir sein? Ibrahim Evsan ermutigte Sparkassen, sich Schwerpunkte zu setzen, neue Formen der Zusammenarbeit auszuprobieren und die Mitarbeiter zu fördern. New Work sei kein Programm, sondern eine Frage der Haltung, der Kultur und Führung. Ein »New Leadership« sei hierfür gefragt, Führungskräfte müssten mit digitaler Kompetenz und Veränderungslust vorangehen. »Jede Veränderung beginnt im Kopf«, so der Digitalisierungsexperte. 

   

 

Forum 4

KÜNSTLICHE INTELLIGENZ –  MARKTPOTENZIALE ERKENNEN UND NUTZEN 

Den Auftakt machte Dr. Elmar Pritsch, President Connected Mobility Solutions, Robert Bosch GmbH. Er nahm das Publikum mit auf eine Reise in die Zukunft der Mobilität. Das Wachstum der Weltbevölkerung und die damit verbundene Zunahme an Staus und auch Parkplatznot in den Städten erfordern ebenso neue Lösungsansätze wie die aktuell auf breiter Ebene diskutierten Themen Elektromobilität und Autonomes Fahren. In diesem Spannungsfeld zeigte Dr. Elmar Pritsch auf, wie vernetzte Lösungen mit Hilfe von KI-Technologien und -Methoden dabei helfen, neue Lösungen für den Personen- und Gütertransport zu finden. Konkret zeigte er, wie automatisches Valet-Parken schon jetzt im Mercedes-Benz-Museum funktioniert, wie bereits in den PKW installierte Sensoren zur Parkplatzerkennung für eine intelligente Parkraumbewirtschaftung in Städten genutzt  werden können oder wie GPS-Daten aus Autos dabei helfen können, Falschfahrer frühzeitig zu identifizieren und auf ihren Fehler aufmerksam zu machen.
Dr. Alessandro Curioni, IBM Fellow, Vice President, Europe & Africa Director, IBM Research–Zürich, gab in seinem  Vortrag tiefgehende Einblicke in die Zukunft der KI-basierten Informationstechnologie. Der Vortragstitel »The Future of Computing: Enabling AI from Bits to Neurons to Qubits« lockte dabei insbesondere auch ein technisch versiertes Publikum zu dem Vortrag, wie sich in der anschließenden Fragerunde herausstellte. Dr. Alessandro Curioni schlug in seinem Vortrag den Bogen von den heutigen KI-Technologien, - die er »Narrow AI« nannte. Diese verarbeiten antrainiertes Wissen mit einer hohen Präzision und führen damit insbesondere Routineaufgaben besser und zuverlässiger aus als Menschen. Allerdings führt die hohe Spezifität der auf diese Weise lösbaren Aufgaben zu limitierten Einsatzgebieten der Narrow AI. Um die Einsatzgebiete der KI zu erweitern, sind in diesem Zusammenhang wichtige ethische Grundsatzthemen und Fragen der Sicherheit und Transparenz zu klären. Und es brauche noch leistungsfähigere Technologien, allen voran das Quanten-Computing. Beides sieht Dr. Alessandro Curioni auf einem guten Weg und zeigte auf, welche Anwendungsgebiete sich damit für die Finanzwirtschaft eröffnen.
Den Abschluss machte Michael Klar, Bereichsleiter Digital Excellence, Otto Group Holding. Er bot einen tiefgehenden Einblick in die konkreten Einsatzgebiete der KI bei der Otto Group, die sich als deutsches Handelsunternehmen im Online-Handel seit langem dem Wettbewerb von BigTechs gegenübersieht. Folgerichtig lautete sein Vortrag auch: »Keine KI ist keine Option – Wie Daten und KI die Geschäftsprozesse der Otto Group revolutionieren«. Denn immerhin besitzt die Otto Group einen Datenschatz von mehr als 400 Terabyte, dem größten Retail-Datenpool in der DACH-Region. Diesen nutzt sie, um Kunden auf die Online-Seiten von Unternehmen der Otto Group zu führen und auf diesen ein außergewöhnliches Nutzererlebnis zu bieten. Konkret stellte Michael Klar vor, wie die Otto Group die KI heranzieht, um Nutzerkommentare zu klassifizieren  und inhaltlich auszuwerten, die Kundenansprache zu personalisieren und auch intern regelmäßig anfallende Aufgaben  wie etwa das Verfassen von Produktbeschreibungen zu automatisieren.