Message form Silicon Valley - die Kolumne von Pascal Finette

Wenn Alexa einkaufen geht

ITmagazin 3/2019

Zehntausend Mitarbeiter – so viele Personen sind es, die mit der Entwicklung von Amazons Sprachassistentin Alexa beschäftigt sind. Rechnet man nun noch all jene hinzu, die an den Sprachassistenten von Google, Apple, Samsung und Microsoft arbeiten, bekommt man vielleicht ein vages Gefühl dafür, welche Bedeutung für diese Unternehmen »das nächste Level der Benutzeroberflächen« trägt. Dabei ist Sprache jedoch nicht bloß bequem – verändert sie doch auch in grundlegender Art und Weise, wie Interaktionen zwischen Benutzern, Produkten und Dienstleistungen in Zukunft funktionieren werden. Denken Sie beispielsweise an Batterien. Wir alle erinnern uns an den Duracell-Hasen. Der kleine, flauschige rosa Hase, dem nie der Dampf ausging, weil er von der weltweit führenden Batteriemarke »Duracell Energizer« angetrieben wurde. Wenn bei Ihnen zu Hause demnächst mal wieder die Batterien ausgehen – glauben Sie, dass Sie dann Ihrer Sprachassistentin sagen werden: »Alexa – bestelle ein Paket Energizer MAX AAA Alkaline Batterien« oder wird Ihr Kommando lauten »Alexa – bestelle Batterien«? Wenn Sie heute über das Internet Batterien bestellen, ist die Welt noch einigermaßen in Ordnung: Amazon zeigt Ihnen gewissenhaft die Nummer eins der Batteriemarken weltweit ganz oben in der Produktliste. Aber wenn Sie Alexa fragen – welche Batterien wird Alexa Ihnen liefern? Natürlich liefert Amazon Ihnen dann Amazon Basic Batterien aus. In den USA beträgt der Online-Marktanteil von Amazon für alle verkauften Batterien bereits 97 %! Und es sind nicht nur Batterien – eine Kategorie nach der anderen wird von Amazon dominiert. Von Hautpflegeprodukten (Marktanteil 91%) über Heimwerkerbedarf (93 %) bis hin zu Reinigungsmitteln (88 %), und noch viele Dinge mehr.

 

Diese Entwicklung betrifft jedoch nicht nur (Online-) Verkäufe. Zurück zu unserem geliebten flauschigen Freund, dem Duracell-Hasen: Früher hat man viel Geld in Marketing und Markenaufbau investiert – angefangen mit dem Kreativteam, das sich den Hasen ausgedacht hat, bis hin zu dem Fernsehsender, der die Werbespots gesendet hat. All dies wird in Zukunft kaum noch eine Rolle spielen, denn Sie sehen und interessieren sich nicht mehr so sehr für die Marken der Produkte, wenn sie Alexa und Co. Ihre Einkäufe für Sie erledigen lassen. Alexa und ihr Ökosystem wachsen mit einer exponentiell ansteigenden Geschwindigkeit. In den USA hat Amazon seinen Bestand an bereits installierten Alexa-fähigen Smart Devices von 25 Millionen im vierten Quartal 2017 auf 46 Millionen im Vergleichsquartal des Folgejahres nahezu verdoppelt. Inzwischen kann Alexa für Sie nicht bloß Batterien bestellen; sie ist auch in der Lage, 99.999 andere Dinge zu erledigen. Und täglich lernt sie168 weitere, neue Skills dazu.

 

Die entscheidende Lektion: Sie müssen sich nicht in besonderer Weise für Batterien interessieren, um zu verstehen, dass die Stimme die Entscheidung vom Mausklick eines Verbrauchers hin zur datengespeisten Intelligenz der Sprachassistentin verlagert. Und dieser Wandel wird ein so grundlegender sein, wie nur irgendwie vorstellbar. Immer mehr Dinge werden wir durch unsere intelligenten Lautsprecher und mit ihnen tun. Und schon bald werden sie überall sein: in unserem Haus, in unseren Telefonen (und damit jederzeit bei uns), in unseren Autos, in unseren Fernsehern. Stimme ist als Medium viel vielseitiger als die Bildschirme von Computern oder Handys – und es ist wesentlich einfacher, sie in viele weitere Geräte und Interaktionen zu integrieren. Und dennoch könnte man die Stimme als eine höchstseltsame Kuriosität betrachten. So sehr jene Geräte irgendwie real gewordene Science Fiction sind (erinnern Sie sich an den Communicator aus StarTrek?), so sehr haben sie doch immer noch viele Schwachstellen zu überwinden. Sie haben mit Dialekten zu kämpfen, mit ungewöhnlichen Begriffen oder mit komplexen Befehlen. Angesichts der enormen Investitionen in ihre Weiterentwicklung und des anhaltenden exponentiell ansteigenden Wachstums der zugrundeliegenden technologischen Plattformen wie Rechenleistung und künstlicher Intelligenz sowie Big Data wird es wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis diese Systeme zu einem unumgänglichen Bestandteil unseres täglichen Lebens werden.

 

Damit Sprachschnittstellen funktionieren können, müssen sie die Auswahl reduzieren (niemand will, dass Alexa eine Liste aller angebotenen Batterien herunterrattert), und bei eingeschränkter Auswahl müssen diese Systeme für uns Entscheidungen treffen. Die 1-Million- Dollar-Frage wird bald lauten: Wer hat dann noch die Kontrolle über irgendwas?

 

Pascal Finette berichtet regelmäßig für das ITmagazin aus dem Silicon Valley. Er zählt zu den Internet-Pionieren in Deutschland und gründete in den 90er-Jahren ein Start-up. Es folgten Stationen bei Ebay und Google. Heute ist er Executive Director der Singularity University, einem kalifornischen Think Tank, der Bildungsprogramme entwickelt und Jungunternehmer »auf die digitale Revolution« vorbereitet. Mehr zu ihm unter www.finette.com