Serie »Digitaler Wandel«

Einfach mal machen!

Seit mehr als einem Jahr entwickelt das sogenannte Birds Nest der Berliner Sparkasse Ideen, Prototypen und Ansätze für den Markt der Zukunft. Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend. Zeit, einmal vor Ort in Berlin vorbeizuschauen.

ITmagazin 2/2018

Teammitglieder im Birds Nest der Berliner Sparkasse

Um es gleich vorwegzunehmen: Der Name »Birds Nest« leitet sich nicht aus der Fauna ab. Auch gibt es keine Analogien zu »Twitter«, das bekanntlich einen blauen Vogel als Unternehmenslogo hat. Es war schlicht der Ort, der in diesem Fall namensstiftend war. Schon immer hieß der Raum im obersten Stockwerk mit den großen Fensterflächen und seiner exponierten Lage bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schlicht »das Vogelnest«. Aus diesem Nest hat man einen guten Ausblick auf den Volkspark Humboldthain, auf die großen Parabolantennen des nahe gelegenen Fernsehsenders Deutsche Welle (DW-TV) und vor allem auf die benachbarten Technologieunternehmen und den Standort der Technischen Universität. Auf dem Areal, das vor über 100 Jahren noch Fabrikanlagen der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft (AEG) beherbergte, ist heute ein Start-up-Viertel entstanden.   

 

STARTSCHUSS FÜR DAS PROJEKT  

Vielleicht war es dieser besondere genius loci, der 2016 zu der Idee führte, ein Innovationslabor im Dienstleistungszentrum Brunnenstraße, dem zweiten großen zentralen Unternehmensstandort der Berliner Sparkasse, anzusiedeln. Im Jahr darauf wurden die ersten drei Stellen dafür geschaffen; im Februar 2018 feierte das Birds Nest bereits seinen ersten Geburtstag – während die Berliner Sparkasse selbst 200 Jahre alt wurde.

Stefanie Zachmann und Maurice Meyer vom Berliner Birds Nest.

»Heute gehören vier Köpfe zum sogenannten Leadership-Team, das zu 100 Prozent im Birds Nest arbeitet«, erklärt Maurice Meyer, festes Mitglied des Innovationslabors. »Weitere acht Kolleginnen und Kollegen gehören im Kern-Team dazu; sie arbeiten mit 25 Prozent ihrer Arbeitszeit bei uns mit.« Diese Aufteilung war den Berlinern wichtig, denn von Anfang war gewollt, nicht allein Ideen »unter Laborbedingungen« zu entwickeln, sondern praxistaugliche Konzepte für die tägliche Arbeit der rund 3.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Instituts zu liefern. Leadership- und Kernteam verbringen deshalb nicht den ganzen Tag im Birds Nest, sondern treffen sich dort nur regelmäßig für Meetings. Zu den übrigen Zeiten arbeiten die Teammitglieder an ihren Arbeitsplätzen an verschiedenen Projekten.   

 

SPARKASSE IST EINFACH – ODER NICHT?  

»Ich beschäftige mich aktuell damit, das Kundenfeedback besser zu kanalisieren und daraus zu lernen«, berichtet Stefanie Zachmann aus dem Kernteam. Was passiert eigentlich, wenn der Kunde beim ersten Kontakt mit dem Online- Banking Fragen hat? Welche Antwortmöglichkeiten gibt es und reichen diese aus? Und: Würde ein Kunde, der Probleme mit dem Online-Banking hat, diese auch in einem Online-Chat äußern? »Wir wollen durch verschiedene Antwortmöglichkeiten und -kanäle einen genaueren Eindruck davon bekommen, welchen Weg unsere Kunden in welchem Fall am liebsten gehen wollen«, ergänzt Maurice Meyer. Dinge nicht einfach hinzunehmen, sondern auch immer wieder zu hinterfragen ist eine Grundmaxime im Birds Nest. Gemeinsam mit der Finanz Informatik arbeiten die Berliner ebenfalls daran, perspektivisch Kundendateneingaben und -änderungen in OSPlus und OSPlus_neo automatisiert stattfinden zu lassen. Zum Beispiel so: Der Berater macht bei der Kontoeröffnung mit seinem Tablet ein Foto von Vorder- und Rückseite des Personalausweises und erfasst damit die Daten des Kunden im System. »Versteckt laufen dabei im Hintergrund natürlich mehrere komplizierte Abfrage- und Überprüfungsprozesse; das Grundprinzip lautet aber ›Foto und fertig!‹«, erklärt Maurice Meyer die Idee. Regulatorische Anforderungen werden erfüllt, dominieren aber nicht das Gespräch zwischen Berater und Kunde. 

 

ERSTE MEILENSTEINE NACH EINEM JAHR  

Zu den sogenannten »Quickwins« des Birds Nest zählen z. B. »Money map«, ein Vergleichsportal für Strom und Gas. Die Idee: Mit seinem Zugang zum Online-Banking der Berliner Sparkasse erhält der Kunde Zugang zum Portal, das seine Verträge automatisch erkennt und vergleicht sowie seriöse Alternativ-Angebote aus der Region vorschlägt. Damit könnte Mehrwert über die Kontoinformation hinaus geschaffen werden; das Institut bekäme neue Erlöspotenziale. »Unsere Philosophie im Birds Nest ist eben nicht, Dinge bis ins letzte Detail zu verproben, sondern auch einmal bereits mit einem Prototypen zu starten«, sagt Stefanie Zachmann vom Kern-Team. Sogenannte Click- Dummies, Testprogramme späterer Anwendungen, würden bewusst anderen Kollegen und ausgewählten Kunden vorgestellt.

Freddy, der Service-Fuchs, antwortet auf ausgewählten Seiten in der Internet-Filiale der Berliner Sparkasse automatisch auf immer wiederkehrende Standardfragen. Aktuell wird Freddy rund 200 mal pro Tag genutzt.

Ebenfalls in Erprobung sind ein Bot zur automatisierten Beantwortung von Kundenanfragen im Chat-Bereich und die »schlaue FAQ«, besser bekannt als »Freddy, der Service-Fuchs«. Auf immer wiederkehrende Standardfragen wird so schnell geantwortet, ohne Kapazitäten eines Beraters in Anspruch nehmen zu müssen. Innerhalb von max. 25 Sekunden bekommt der Kunde automatisiert Antworten auf seine Fragen und ist in vielen Fällen damit zufrieden. Integriert in der Internet-Filiale erscheint auf bestimmten Seiten der Service-Fuchs, der vier Themengebiete vorschlägt. Anhand des Feedbacks der Kunden, es gibt aktuell rund 200 Aufrufe pro Tag, wird Freddy immer wieder trainiert. »Für eine Maßnahme, die wir nicht aktiv bewerben, ist das ein guter Wert«, erklärt Stefanie Zachmann. Der Service-Fuchs ist auch für die Kunden nutzbar, die noch über keinen Online-Zugang verfügen.   

 

SCHNELLE MARKTFORSCHUNG  

Ein Projekt ganz anderer Art ist die Internet-Plattform »Innovation Community«. Die Sparkasse hat die Möglichkeit, ausgewählten Privat- und Firmen-Kunden online Fragen zu stellen. »Die Reichweite und Antwortquote ist besser als bei üblichen Marktbefragungen«, freut sich Maurice Meyer. »Zudem bekommen wir so schnell heraus, wie unsere Kunden zu bestimmten neuen Themen stehen, z. B. zu Kryptowährungen oder zur Blockchain.« Ideen und Stimmungsbilder können so auf einfache Art abgefragt werden. »Viele Kunden wissen zu schätzen, dass die Berliner Sparkasse sie nach ihrer Meinung fragt«, ist Maurice Meyer überzeugt.   

 

WIE GEHT ES WEITER?  

Regelmäßig tauschen sich die Berliner mit ihren Kollegen in anderen Sparkassen, in der Finanz Informatik und mit dem Sparkassen Innovation Hub in Hamburg aus. »Man lernt dabei andere Sicht- und Arbeitsweisen kennen, allein das macht es spannend«, findet Maurice Meyer. Ein erstes Fazit nach einem Jahr Birds Nest steht für Stefanie Zachmann und Maurice Meyer auf jeden Fall fest: Redet mit den Kunden! »Es hat sich als sehr hilfreich erwiesen, Dinge auszuprobieren und auf Denkverbote zu verzichten. Und in diesem Zusammenhang gemeinsam zu überlegen, was man mit Bordmitteln alles entwickeln kann«, ist Maurice Meyer überzeugt. »Eben: einfach mal machen!«, pflichtet seine Team-Kollegin Stefanie Zachmann ihm bei.