Die Kolumne von Pascal Finette

Message from Silicon Valley

Pascal Finette berichtet regelmäßig für das ITmagazin aus dem Silicon Valley. Er zählt zu den Internet-Pionieren in Deutschland und gründete in den 90er-Jahren ein Start-up. Es folgten Stationen bei Ebay und Google. Heute ist er Executive Director der Singularity University, einem kalifornischen Think Tank, der Bildungsprogramme entwickelt und Jungunternehmer »auf die digitale Revolution« vorbereitet. Mehr zu ihm unter www.finette.com

ITmagazin 3/2018

Zwischen Hype und Realität

Von Pascal Finette 

Die Blockchain-Technologie – und in diesem Zusammenhang Kryptowährungen sowie Initial Coin Offerings (ICOs) – ist aktuell eine der am meisten diskutierten Technologien überhaupt. Die Stimmen derer, die das »Ende des Finanzsystems, wie wir es kennen« beschwören sowie derer, die prophezeien, dass der Einfluss dieser Technologie gar größer als der des Internets an sich sein wird, sind nicht zu überhören. Andere stellen fest, dass viele ICOs blanker Betrug sind, dass Kryptowährungen nichts anderes als das Tulpenfieber der Gegenwart sind und dass dahinter nichts steht außer einer gehypten, dezentralen Datenbank. Und wie üblich wird die Wahrheit am Ende wohl irgendwo in der Mitte zu suchen sein.

Um Blockchain zu verstehen, muss man sich mit der zugrundeliegenden Technologie auseinandersetzen. Vereinfacht: Betrachten Sie Blockchain als einen Weg der Datenspeicherung – ähnlich einer Datenbank, aber mit deutlichen Unterschieden: Die Daten an sich werden im wahrsten Sinne dezentral gespeichert, das heißt nicht auf einem einzelnen Server oder auf einer Reihe von eng synchronisierten Servern. Stattdessen werden Kopien der Daten auf vielen Netzwerkknoten hinterlegt. Die Speicherung wird intelligent verschlüsselt und die Einträge aller miteinander zu einer Kette verknüpft, die auf eine sehr wirkungsvolle Art manipulationssicher ist.

Das ermöglicht es, Daten auf eine Weise zu speichern, die keinerlei Vertrauensbasis zwischen den Beteiligten mehr voraussetzt – und dies ist wahrhaft eine Innovation, die enormes Potenzial besitzt – allerdings auch für Wirbel und Umbrüche im Geschäftsleben sorgt, die wir so bisher nicht kannten. Mittels Technologien wie Etherium oder Stratis können Sie einer Transaktion Funktionalitäten hinzufügen und so die Datenspeicherung in einen smarten Vertrag verwandeln.

Smarte Verträge sind ausgeklügelte kleine Algorithmen, die Zahlungen zu nachprüfbaren Konditionen abwickeln können. Zum Beispiel könnte eine Händlerin automatisch in dem Moment bezahlt werden, sobald der Empfänger für die erhaltene Lieferung unterschreibt. Die Händlerin braucht Ihnen als Kunden nicht zu vertrauen, dass Sie bei Lieferung schon wie vereinbart bezahlen werden. Sie als Kunde müssen die Zahlung nicht durch Ihre Buchhaltung nachverfolgen lassen, da sie automatisch herausgeht, sobald die im smarten Vertrag definierte Bedingung erfüllt ist.

Heute befinden wir uns erst in der Erkundungsphase der Technologie. Organisationen in aller Welt setzen sich mit den Kernprinzipien auseinander und machen sich Gedanken darüber, wie sie diese am besten in bestehenden oder auch völlig neuen Prozessen einsetzen können. Dabei überrascht es nicht, dass wir unter solchen Bedingungen viele nutzlose oder schlichtweg falsche Umsetzungen beobachten können – bis ein neues Konzept vollständig begriffen und sein wahres Potenzial erschöpft wird, braucht es Zeit.

Wir werden in Zukunft viele Backend-Implementierungen der Blockchain-Technologie erleben, die zu geringeren Kosten, schnelleren Transaktionszeiten und höherer Zuverlässigkeit führen werden. Darüber hinaus werden wir auch völlig neue Anwendungen beobachten, die bisher noch gar nicht möglich waren. Nutzen wir also die Zeit, mehr über Blockchain zu lernen. Denn ohne Verständnis der zugrundeliegenden Prinzipien hat man kaum eine andere Wahl, als entweder dem Hype zu folgen oder ihn zu ignorieren, ohne an das wahre Potenzial dahinter zu denken.