„Eine gute Innovationskultur ist authentisch und unterstützend“

Im Interview mit der herCAREER verrät die Managerin, worauf es bei Digitalisierungsprozessen ankommt und wie Diversity zu mehr Innovation und zufriedeneren Kund:innen, aber auch Mitarbeitenden führt.

„Der Wandel beginnt mit einem neuen Mindset“

herCAREER: Frau Koch, Sie sind bei der Finanz Informatik für das Ressort Anwendungsentwicklung verantwortlich. Wie verändert innovative Technologie das Banking? Welche Rolle spielen hier Startups wie N26?

Julia Koch: In einer komplett digitalen Welt verändern sich die Erwartungen von Kund:innen rasant und branchenübergreifend. Die Menschen wollen in allen Lebensbereichen möglichst einfache und an ihren Bedürfnissen orientierte Erlebnisse – ob beim Shopping, bei der Reisebuchung oder bei einer Netflix-Serie. Und das erwarten sie auch im Banking.

Startups, speziell FinTechs und InsurTechs, sind hier immer wieder innovative Impulsgeber. Unsere Lösungen für die Sparkassen müssen sich aber nicht dahinter verstecken. Ein Beispiel: Die von uns gemeinsam mit unserer Tochter Star Finanz entwickelte App »Sparkasse« ist laut Stiftung Warentest sowohl die bestbewertete als auch mit mehr als 13 Millionen Nutzer:innen die meistgenutzte Banking-App in Deutschland.

Unser Unterschied zum Startup ist: Als Digitalisierungspartner der gesamten Sparkassen-Finanzgruppe brauchen wir Innovationen mit Blick auf das große Ganze. Denn sie betreffen eine sehr große und diverse Zielgruppe von 50 Millionen Menschen. Und sie wirken sich auf ein sehr breites Produkt- und Service-Angebot aus. Wir müssen dabei immer dem Anspruch der Menschen bei Sicherheit und Verlässlichkeit gerecht werden – aber auch bei der Zugänglichkeit zu und Teilhabe an Finanzdienstleistungen. Eine Innovation für eine sehr kleine, spitze Zielgruppe darf nicht dazu führen, dass sich für Millionen andere Service oder Leistung verschlechtern. Daher orientieren wir uns an den Werten und der Selbstverpflichtung der Sparkassen: Allen Menschen einen einfachen Zugang zu einem modernen Banking zu gewährleisten.

herCAREER: Können Sie hier ein Beispiel geben?

Julia Koch: Wir haben innerhalb weniger Tage ganz pragmatisch Lösungen für die Kontoeröffnung von ukrainischen Geflüchteten bereitgestellt. Damit haben wir ihnen einen schnellen Zugang zum europäischen Zahlungsverkehr ermöglicht. Mitte Juli führten die Sparkassen bereits rund 280.000 Konten für Flüchtlinge aus der Ukraine. Und seit Anfang Mai steht die App »Sparkasse« Nutzer:innen auch auf Ukrainisch zur Verfügung.

Mit dieser Kombination aus Innovationsfreude, Kundenzentrierung und gesellschaftlicher Verantwortung wollen wir gemeinsam mit den Sparkassen das Banking der Zukunft gestalten.

herCAREER: Die FI entwickelt sich vom IT-Dienstleister der Sparkassen zu deren Digitalisierungspartner. Was bedeutet das konkret für den internen Wandel im Selbstverständnis und für die Unternehmenskultur der FI?

Julia Koch: Der Wandel beginnt mit einem neuen Mindset – weg von der Rolle der IT als Support-Funktion. Hin zu einem neuen Rollenverständnis als Digitalisierungspartner, der das Banking der Zukunft aktiv mitgestaltet.

Als FI gehen wir hier in die End-to-End Verantwortung: Wir digitalisieren Prozesse vom ersten Kontakt zur Sparkasse über Google oder andere Kanäle über das Kundenerlebnis im täglichen Umgang mit unseren Lösungen bis hin zur Marktfolge. Dazu entwickeln wir unsere Arbeitsweise unternehmensübergreifend in Richtung Agilität und hybride Arbeitsmodelle massiv weiter.

Wir nennen das kundenzentrierte Transformation. Diesen Wandel gestalten wir gemeinsam mit den Sparkassen und im eigenen Unternehmen ressort- und hierarchieübergreifend als „#TeamFI“.

herCAREER: Wie kommt man von „traditioneller“ oder gar bürokratischer Denke zu einer Innovationskultur?

Julia Koch: Eine gute Innovationskultur ist authentisch und unterstützend: Für das Geschäftsmodell, für die Kund:innen und vor allem für die Menschen im Unternehmen, wo die Kultur täglich gelebt wird. Bei der FI sehen wir die Arbeit an unserer Kultur und an den Anwendungen als gemeinsame Aufgabe von uns allen. Das bedeutet auch, die Verantwortung und den Gestaltungsspielraum des oder der Einzelnen zu stärken – unabhängig von Hierarchie oder Rolle. Es ist wichtig, die Ideen und das Expertenwissen vieler Menschen in Entscheidungsprozesse mit einfließen zu lassen. Das ist für mich die Basis, um innovativen Fortschritt und echte Kundenorientierung zu ermöglichen und zu leben. Um das zu erreichen, setzen wir auf eine Kultur der Verlässlichkeit, Offenheit, Flexibilität und des voneinander Lernens. Wir schenken unseren Mitarbeitenden Vertrauen und schaffen kreative Freiräume im Rahmen klarer Ergebnisorientierung. Führungskräfte können all das auf vielen Ebenen unterstützen. Bei aller Flexibilität und Innovationskultur verzichten wir aber natürlich nicht auf die notwendigen Hierarchien und Abstimmungsstufen, die unsere Geschäftstätigkeit im hochregulierten Bankenumfeld erfordert.

herCAREER: Was waren konkret Ihre ersten Schritte und Maßnahmen als Führungskraft?

Julia Koch: Eines der ersten Formate, das ich in meinem Ressort eingeführt habe, war ein »Ask Me Anything (AMA)«. Das ist ein Austauschformat, bei dem alle Fragen erlaubt sind. Das AMA ist sehr hilfreich für einen direkten, offenen Austausch – gerade wenn man sich noch nicht so gut kennt. Über die Fragen habe ich sehr viel von den Kolleg:innen gelernt. Was sie aktuell bewegt und was ihnen bei den nächsten Entwicklungsschritten wichtig ist.

Eine weitere Maßnahme, die mir sehr am Herzen liegt, ist die Förderung von Austausch innerhalb eines und zwischen unterschiedlichen Teams. Denn wir haben viele Fähigkeiten im Unternehmen und können so laufend voneinander lernen. Wir organisieren dazu in diesem Jahr unter anderem viele Auftritte von Kolleg:innen auf großen Events der Digitalbranche, auf Tech-Kongressen oder im Rahmen von internen Formaten wie unserem Townhall-Meeting. Es ist erstaunlich zu sehen, was passiert, wenn man den Menschen die Möglichkeit gibt, ihre Themen zu präsentieren. Die Teams reflektieren dann ganz intensiv ihre Ergebnisse, ihren Beitrag und ihre Mission.

Die Sichtbarkeit von konkreten Arbeitsergebnissen und der Austausch als Team fördern meiner Erfahrung nach das permanente Lernen voneinander und entfalten ganz neue Kräfte und Bewegungen im Unternehmen.

herCAREER: Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben? 

Julia Koch: In der Führungsverantwortung haben für mich gute Kommunikation und Empathie eine große Bedeutung. Gerade bei technologischer Innovation sind der Faktor Mensch und gutes Team-Play besonders wichtig. Ich möchte dabei lediglich Rahmen und Richtung vorgeben und den Teams ansonsten möglichst viel Freiraum für die Ausgestaltung ihrer Aufgaben lassen. Das stärkt auch die Identifikation mit dem Unternehmen und der eigenen Rolle.

Ein attraktives und von Chancengleichheit geprägtes Arbeitsumfeld ist uns in der FI sehr wichtig. Als Vorbilder und „Enabler“ sind Führungskräfte – wir alle gefordert, daran mitzuarbeiten und sich aktiv für eine offene, tolerante und gleichberechtigte Wertegemeinschaft einzusetzen.

herCAREER: Sie sind die erste Frau in der Geschäftsführung. Inwiefern spielen Female Leadership und Diversity eine Rolle für Innovation und den Erfolg eines Unternehmens?

Julia Koch: Für mich ist dieses Thema keine rein theoretische oder wissenschaftliche Diskussion, sondern entspricht einer praktischen Notwendigkeit.

Auf drei Ebenen ist Diversität für uns ein Erfolgsfaktor. Erstens: Die Sparkassen haben zusammen über 50 Millionen Kund:innen – viel breiter oder diverser kann man hierzulande gar nicht aufgestellt sein. Das heißt für uns: Wenn wir wissen wollen, wie unsere Kund:innen denken und handeln, dann geht das nicht allein über Datenerfassung oder Statistik. Im besten Fall habe ich ein Team, das ähnlich divers aufgestellt ist und sich sehr gut in die Zielgruppen hineinversetzen kann. Ein vielfältiges Team kann also besser Produkte und Lösungen für eine heterogene Zielgruppe entwickeln.

Zweitens sind diverse Teams laut vielen Studien und auch aus meiner beruflichen Erfahrung heraus kreativer und innovativer – sie stellen Bestehendes eher in Frage und suchen nach neuen Ansätzen, um sehr gute Ergebnisse für ihre Kunden zu erzielen.

Drittens hilft Diversität uns dabei, neue Mitarbeitende zu gewinnen. Die demografische Entwicklung und der angespannte Arbeitsmarkt sind auch für die FI eine Herausforderung. Wir suchen in allen Ressorts neue Mitarbeitende – von der Anwendungsentwicklung bis hin zur Projektleitung. Wir verbessern als Arbeitgeber unsere Chancen erheblich, wenn wir uns für mehr Menschen öffnen. Dies ist auch fest im Nachhaltigkeitsverständnis der FI verankert. Wir als Arbeitgeber setzen uns dafür ein, auf die Gleichberechtigung unserer Mitarbeitenden zu achten und z. B. auch die Integration und Inklusion von Menschen mit Behinderung zu fördern. Deshalb hat die FI auch die Charta der Vielfalt unterschrieben.

herCAREER: Wie sieht der Frauenanteil bei der FI aus – allgemein und in Führungspositionen? Was tun Sie, um Frauen zu fördern bzw. auch für Führungsjobs zu motivieren?

Julia Koch: Für mich sind Ergebnisse entscheidend und nicht das Geschlecht. Ich bin daher kein Fan der Frauenquote. Allerdings fördert die Diskussion rund um die Frauenquote einen längst überfälligen Austausch zur Gleichberechtigung und bringt Unternehmen dazu, sich bewusst damit auseinanderzusetzen.

Sich für mehr Frauen in der IT-Branche einzusetzen hat mehrere positive Aspekte: Es eröffnet attraktive, zukunftsträchtige Karriereoptionen für uns Frauen und trägt gleichzeitig dazu bei, dass mehr qualifizierte Menschen die Digitalisierung von Gesellschaft und Wirtschaft aktiv mitgestalten. Aus meiner Sicht können hier alle nur gewinnen.

Die FI investiert dafür gezielt in die Frauenförderung. Unter anderem engagieren wir uns in Karrierenetzwerken für Frauen und fördern den Austausch von Frauen untereinander – in der FI und darüber hinaus. Was mich besonders freut ist, dass es mittlerweile eine wachsende Zahl an Frauen in Führungspositionen in der FI gibt, die als Rollenvorbilder und Mentorinnen andere Kolleginnen inspirieren und unterstützen.

Ich bin mir sicher, dass wir auf diese Weise auch unsere Frauenquote von derzeit rund 28 Prozent weiter steigern können.