Dirk Wiebusch

How tomorrow works - worauf es in der Arbeitswelt von morgen ankommt

»Beschäftige dich mit deinem Kunden«

Im Fokus

How tomorrow works - worauf es in der Arbeitswelt von morgen ankommt

Es werden immer weniger Live-Kundenkontakte passieren, und wenn, dann werden sie komplexer. Hier finden sich die zukunftsfähigen Skills, die unbedingt trainiert werden müssen.

 

How tomorrow works - wie sieht die Arbeitswelt von morgen aus? Und wie schaffen wir es, sie positiv zu gestalten? Dirk Wiebusch, selbst erfolgreicher Unternehmer, begleitet andere Unternehmerinnen und Unternehmer durch das Heute in ein erfolgreiches Morgen. Der Austausch über Unternehmensvisionen treibt ihn an. Doch die Arbeitswelt von morgen ist für ihn nicht ganz so futuristisch, wie mancherorts propagiert. In der näheren Zukunft sieht er denn auch weniger fliegende Taxis und vollautomatisierte Roboterberatung als hybride Modelle, bei denen digitale Strategien mehr Freiräume für Werte wie Individualität, Verlässlichkeit und Persönlichkeit schaffen.

 

Erst wenn Technik und Mensch gut zusammenkommen, kann Digitalisierung gelingen. Der Handlungsdruck wächst, hohe Investitionen in IT werden nötig sein. Eine starke Kundenbeziehung ist aus Sicht Wiebuschs einer der wesentlichen Werte, die eine Bank heute haben kann. Das Entscheidende ist, dass in vielen Bereichen ein Großteil der Produkte und Dienstleistungen aus der Sicht von Kunden austauschbar wirken, die Menschen aber nicht. Daraus leitet er ab, dass das digitale Aufbereiten von Daten sinnvoll ist, aber das Transportieren von komplexen Themen durch den Menschen erfolgen sollte, damit sich daraus eine Kaufentscheidung ergibt. Wiebusch sieht regionale Institute im Vorteil, denn mit ihren langjährigen Kundenbeziehungen sind sie vielfach erfolgreicher als beispielsweise FinTechs, die ihre Kunden noch gar nicht kennen. 

 

Im Vertrieb wird sich in Wiebuschs Erwartung einiges ändern. Nicht komplett, denn schon früher hieß es: „Know your customer - Beschäftige dich mit deinem Kunden“. Aber es wird neue Herausforderungen geben, auch an die Beschäftigten. Überall dort, wo kein Standardprodukt verkauft werden soll, sondern ein komplexes Produkt, werden es nur gute Mitarbeitende schaffen, Kunden zu überzeugen. Das Wichtigste ist, dass sie mit den Antworten derselben umgehen können. Und da wird es schwierig, da wird es komplex und individuell. Die Berater*innen brauchen deshalb zukunftsfähige Skills, die unbedingt trainiert werden müssen.

 

 

 

Dirk Wiebusch berät seit 1993 Unternehmerfamilien und Familienunternehmen in über 20 Branchen, vom Handwerksbetrieb bis zum MDAX-Unternehmen.

Neben Tätigkeiten bei mehreren Finanzdienstleistern gründete er das Institut Für UnternehmerFamilien (IFUF), dessen Geschäftsführer er bis heute ist. Angetrieben wird er von der Leidenschaft für die Welt der Unternehmerfamilien und Familienunternehmer sowie der Begegnung mit außergewöhnlichen Unternehmenden. Er kennt das Geschäft sowohl aus Sicht der Finanzdienstleistenden wie der Entrepreneure. Seine Erfahrungen gibt er seit 2007 in Seminaren, Coachings und Vorträgen weiter. Im Jahr 2018 gründet er das Netzwerk der Unternehmer-Versteher, das Finanzdienstleister*innen neben Vernetzungsmöglichkeiten regelmäßig sorgfältig ausgearbeitete Inhalte zur Verfügung stellt.

Zitat

»UNS FEHLT EINE ART THINK TANK FÜRS NORMALE LEBEN«

Im Gespräch

Woran denken Sie, wenn Sie den Begriff Zukunft hören?

Es wird immer so getan, als ob sich das grundsätzliche Leben verändert. Wenn wir uns über die Zukunft unterhalten, würde ich mich weniger gerne darüber unterhalten, ob die Menschen sich insgesamt verändern, sondern mehr über die Frage: Wie verändern sich Methoden, um mit gleichbleibenden Bedürfnissen umzugehen?

 

Welche neuen Bedürfnisse oder Fragen treiben Sie in zehn Jahren um?

Je mehr uns die Technik und die Systeme abnehmen, desto mehr Zeit habe ich. Vor Corona bin ich 60.000 km im Auto unterwegs gewesen – etwa 800 Stunden im Jahr. Wenn nur die Hälfte davon jetzt per Video stattfindet, führt dass dazu, dass eine Unmenge an Zeit zur Verfügung steht. Das ist für mich persönlich die nächste Herausforderung der Zukunft: Wir sehen heute eine zunehmende Fülle an Möglichkeiten. Ich glaube, dass die Menschen mit dieser zunehmenden Fülle auch zunehmend vereinsamen. Statt ins Kino zu gehen, kann ich einen Film streamen. Statt ins Restaurant zu gehen, kann ich Essen bestellen. Wenn ich Menschen über eine Dating-App kennenlerne, lernt man sich digital kennen. Beim realen Treffen geht dann vieles schneller als früher, weil man sich ja schon kennt. Aber man sieht im Digitalen vielleicht auch, dass und wie oft man abgelehnt wurde. Eigentlich ist das ein Paradoxon: Man hat viel mehr Möglichkeiten und trotzdem vereinsamt man, weil diese gigantische Menge an Informationen viele überfordert. Und: Bei Großveranstaltungen wie Helene Fischer explodiert dann alles, weil Menschen eine völlig überbordende Erwartungshaltung an das Event stellen.

 

Wie können wir auf diese Herausforderungen reagieren?

Drei Gruppierungen müssen sich neu formieren: Erstens brauchen wir ein deutlich seriöseres und noch stärker faktenbasiertes politisches System. Die zweite Gruppe sind die Medien: Der Fokus auf Klicks und Likes führt automatisch zu einer kurzfristigen Sicht. Man jagt kleinen Trends hinterher, um nicht zu verpassen, wenn sie groß werden. Ich erwarte auch von den großen Medien eine deutlich seriösere Positionierung. Was die Leute bei diesen beiden Gruppen suchen, ist also sowohl politischer als auch kommunikativer Halt, der nicht über Angst und Bedrohung getrieben wird, sondern über positive Visionen. Die dritte Gruppe sind die Personen, die auch wir repräsentieren: Das sind die Unternehmerinnen und Unternehmer, die auf Basis der vorher genannten Variablen hinterfragen sollten, ob sie bestimmte Dinge nicht aufgrund eines Trends unbedingt machen wollen. Wir brauchen auf Unternehmerseite ein gewisses Maß an Bereitschaft, die Dinge langfristiger zu sehen. Es ist wichtig, ein Verständnis dafür zu haben, dass Dinge, wenn sie angeschoben werden, sehr zeitaufwändig sind. Diese drei Gruppierungen können den Weg nach vorne bereiten und die Dinge vorantreiben – das ist meine Hoffnung.

 

Welche Aufgaben kommen auf die Banken in einer Welt der Verunsicherung zu?

In der Gesamtheit sind die Menschen klüger und abwägender, als so mancher das letztendlich wahrhaben will. Auch zukünftig wird die Hauptaufgabe der Banken sein, diejenigen aktiv und seriös zu unterstützen, die sich Informationen wünschen. Sie sollten sich auf die Fahnen schreiben, dass sie sich genau bei den Menschen emotional positionieren, die einen Coach benötigen – und auch wollen. Coaching ist eine zwischenmenschliche Angelegenheit. Die Banken kappen sich die Touch Points zum gewöhnlichen Kunden, ohne gleichzeitig den emotionalen digitalen Bereich aufzubauen. Es braucht eine emotionale Customer Journey.

 

Was sollten wir in puncto Zukunft noch bedenken?

Ich spreche viel, schnell, komplex und ineinandergreifend, aber die Welt besteht eben nicht aus BILD-Zeitungsüberschriften. Die Welt ist komplexer. Was uns in Deutschland fehlt, ist eine Art Think Tank fürs normale Leben. Kein Think Tank darüber, wie die Welt in zehn Jahren mit E-Autos läuft, sondern darüber, wie es in zehn Jahren in Berlin-Neukölln aussieht. Wie werden die Menschen im Dortmunder Norden leben? Wie werden alte Menschen zukünftig wohnen? Vielleicht wäre es wichtig, dass wir reale Gruppierungen bilden, die sich mit dem Tagesgeschäft der Menschen beschäftigen und nicht mit der Frage, wie die Welt in 50 Jahren aussieht. Die Menschen interessieren 50 Jahre nicht. Sie interessieren maximal 50 Tage.

 

 

 

Über Zukunft nachdenken

Bedürfnisse

Zukunft präsentiert sich in unseren Köpfen schnell als ein Konglomerat neuer, aufregender Lösungen. Dabei bedeutet Zukunft gar nicht immer eine grundlegende Veränderung von allem. Produkte und Services wandeln sich schneller als Kultur. Natürlich beeinflussen erstere unser Verhalten, z.B. die Art wie wir kommunizieren oder konsumieren. Allerdings setzt sich ein neues Angebot vor allem dann durch, wenn es eine innovative, Mehrwert stiftende Antwort auf ein altes Bedürfnis liefert. Deswegen ist es sinnvoll zu überlegen, wie z.B. technologische Möglichkeiten und wissenschaftliche Durchbrüche in der Verschränkung mit bestehenden Bedürfnissen echten Zukunftsmehrwert liefern können.