Joachim Schmalzl

Zwischen Digitalisierung, Globalisierung und ökologischer Transformation

»Wir müssen der aktive Part sein.Wir müssen Lösungen bereitstellen, aber auch bereitstellen dürfen.«

Im Fokus

Zwischen Digitalisierung, Globalisierung und ökologischer Transformation

„Für eine nachhaltige Zukunft müssen wir aktiver gestalten. Wir müssen der aktive Part sein, wir müssen Lösungen bereitstellen, aber auch bereitstellen dürfen.“

 

Kundinnen und Kunden haben in der Corona-Zeit notgedrungen digitale Angebote nachgefragt. Diese Entwicklung ist von der Sparkassen-Gruppe genutzt worden, so die Zwischenbilanz von Dr. Joachim Schmalzl, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands. Die große Frage aber sei: „Wie können wir in der Welt der Digitalisierung, Globalisierung und ökologischen Transformation für fairen Wettbewerb und Teilhabe all unserer Kunden sorgen? Wie können wir als Sparkassen unseren Beitrag leisten und letztlich auch profitieren?“

Manchmal muss man in Anbetracht von Veränderung einfach machen und die gute Energie in der Gruppe nutzen, um sich mit den Kundinnen und Kunden gemeinsam zu verändern. Für das Jahr 2022 führt Schmalzl in diesem Kontext sechs geschäftspolitische Schwerpunkte an:

Erstens müsse man Menschen am Wertzuwachs beteiligen. Für die Sparkassen-Gruppe heißt das: „Wir müssen uns mit der Einlagenflut beschäftigen und diese Flut in Wertpapiere und andere wertige Anlagen umwandeln.“ Das ist die einzige Lösung, die es gibt. Die Sparkassen-Gruppe muss für die Kunden Lösungen für das Wertpapiergeschäft entwickeln.

Zweitens ist es wichtig, die Leistungskraft des Verbunds kundenzentriert zu nutzen. Einfacher ausgedrückt: mehr Hände ins Geschäft, mehr Cross-Selling. Die Verbundquote liegt bei 20 bis 30 Prozent. Die Hausbankquote liegt bei 50 Prozent. In der Differenz steckt das Potenzial, um zielsicher nutzerzentrierte Lösungen anbieten zu können.

Drittens geht es darum, Leistungen rund ums Geld an einer Stelle zu bündeln. Kunden sollen digital verankert, „eingeloggt“ werden. Sie sollen sich wohlfühlen, Zeit auf der Plattform verbringen und in dieser Zeit Lösungen präsentiert bekommen. Beispiel: Ein Kunde sieht nach einem Kauf plötzlich einen negativen Saldo. Jetzt kann ihm angeboten werden, mit einem Klick sein Problem zu lösen – und das Minus auf dem Konto in einen Ratenkredit verantwortungsvoll entlang der Kundenhistorie umzuwandeln. 150 Sparkassen setzen diese Lösung bereits ein und sehen sehr gute Ergebnisse. Kunden müssen immer und überall mithilfe der Sparkasse bezahlen können. Da wird es Partnerschaften brauchen. Um eine eigenständige Lösung zu entwickeln, wird eine Gemeinschaft mit vielen europäischen Banken als europäische Initiative auf den Weg gebracht.

Viertens rückt die Sicherung der Kundenbindung vor Ort in den Fokus. Dabei stellt sich die Frage, wie diese gelingen kann. Antwort: durch noch radikalere Kostensenkung bei allen „schlechten“ Kosten. Also Kosten, die aus nicht-standardisierten, unnötig manuellen Prozessen herrühren, die z. B. durch Prozessverallgemeinerungen wie OSPlus_neo-GS und PPS 2.0 einfacher zu erledigen wären. Es müssen viele Prozesse im Hintergrund noch stärker automatisiert werden, damit Potenziale zur Kostensenkung realisiert werden können. Dabei ist wichtig, nicht an der falschen Stelle zu sparen, nämlich am Geschäft mit den Kunden.

Fünftens müsse die Sparkasse zum Dienstleister für eine nachhaltige Zukunft werden. Bisher wird Nachhaltigkeit häufig als regulatorische Last empfunden. Die Gesetzgebung versucht, über Regulatorik Nachhaltigkeit zu erzwingen: „Wir sind reduziert darauf, das regelgetrieben umzusetzen. Wir müssen aktiver gestalten. Wir müssen der aktive Part sein. Wir müssen Lösungen bereitstellen, aber auch bereitstellen dürfen. Da braucht es noch viel Dialog mit der Politik und der Regulierung.“

„Die in der Vergangenheit nicht immer klare Arbeitsteilung in der Gruppe sei inzwischen geklärt, so Schmalzl“. So wurde vereinbart, eine bankfachliche Meinungsbildung über die DSGV-Fachausschüsse zu organisieren und durch die Finanz Informatik Prozesse und Software für kundenfreundliche Lösungen bereitzustellen. Es wurde geklärt, dass die Regionalverbände im Rollout unterstützen und helfen, die Themen einzuführen. Und es wurde die Bereitschaft der Sparkassen eingeholt, die Lösungen zu nutzen und einzuführen, die sie bestellt und mitgestaltet haben. Das alles soll die digitale, soziale und wirtschaftliche Teilhabe ermöglichen.

Als letzten Schwerpunkt sieht Schmalzl das Ziel, die digitale Finanzplattform als Tor zu Kunden im Verbund zu positionieren. Wenn sich alle einbringen (die Sparkassen, aber auch die Verbundpartner), dann könne es gelingen, in einer digitalen, globalisierten Welt Aufmerksamkeit zu erzeugen und eine Heimat für Kunden zu sein, sodass diese sagen: „Bei finanziellen Themen bin ich bei der Sparkasse zu Hause. Denn wenn es um Geld geht und um mehr als Geld geht, ist es Sparkasse.“

 

 

Joachim Schmalzl ist seit 2016 Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV).

Er studiert Betriebswirtschaftslehre an der Universität Mannheim und wird 1994 an der Universität Göttingen am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik promoviert. Nach beruflichen Zwischenhalten als Unternehmensberater bei McKinsey & Company in Düsseldorf und Leiter der Informatik-Strategie der BHF-Bank in Frankfurt fungiert er als Bereichsleiter für Organisation und Datenverarbeitung und als Bereichsleiter für Medialen Vertrieb der Stadtsparkasse Köln. Er steigt zunächst zum stellvertretenden Vorstandsmitglied und im Jahr 2004 zum ordentlichen Vorstandsmitglied auf und übt die Funktion des Dezernenten für Organisation, Prozess- und Produktmanagement, Controlling, Finanzen und Risikomanagement bei der Stadtsparkasse Köln aus, die seit dem Zusammenschluss mit der Sparkasse Bonn zum 1. Januar 2005 als Sparkasse KölnBonn firmiert.

Zitat

»ICH MÖCHTE JEDEN TAG EIN BISSCHEN BESSER WERDEN.«

Im Gespräch

Woran denken Sie, wenn Sie den Begriff Zukunft hören?

Ich denke an etwas Gutes, das in der Ferne liegt und auf das ich mich mit Optimismus hinbewege.

 

Und wie sollten wir mit Zukunft umgehen?

Ich glaube nicht an die großen Revolutionen. Selbst die Covid-Krise hat ja nicht zu riesigen Umbrüchen geführt, sondern sie hat, z.B. in der Digitalisierung, einige Themen beschleunigt. Diese Beschleunigung wird sich auch wieder reduzieren. Trotzdem wird es eine kontinuierliche Veränderung geben, an die man sich anpassen kann und wird. Anzuerkennen, dass sich etwas verändert, dass das normal ist und dass wir uns in der Vergangenheit bereits angepasst haben, kann uns stärker machen. Man muss nicht die großen Sprünge anstreben. Es ist wichtig, an die eigene Befähigung zu glauben, indem man sich den Realitäten stellt, sie annimmt und daraus wieder den nächsten Schritt tut. Ich möchte jeden Tag ein bisschen besser werden.

 

Was wird sich in zehn Jahren verändert haben?

Ich glaube, dass in zehn Jahren in vielen Bereichen unsere Bequemlichkeit stärker unterstützt werden wird. Es gibt heute viele Themen, die eine Menge an unnötigem Aufwand mit sich bringen, z.B. Routinetätigkeiten im Haushalt. In der Routine würde ich mir Automatisierung und damit Bequemlichkeit wünschen. In vielen Bereichen möchte ich das aber nicht. Ich möchte Überraschungen erleben, ich möchte Inspiration bekommen. Ich finde es schade, dass ich – verstärkt durch die Pandemie – gar nicht mehr durch Buchhandlungen schlendern und mich inspirieren lassen kann durch das, was dort auf mich zukommt. Stattdessen erhalte ich nur Vorschläge, die auf meinem bisherigen Verhalten basieren.

 

Welche Rolle könnten Inspiration und Überraschung bei der Sparkasse spielen?

Ich glaube, dass wir Sparkassen gut daran tun, in unseren Weiterentwicklungen sehr behutsam vorzugehen. Wir nehmen die Kunden mit und holen sie in der Breite da ab, wo sie heute sind. Wir sind nicht so sehr angehalten, die modernste Innovation einzuführen, sondern angefangene Themen in Gänze zu Ende zu bringen – und das richtig gut zu machen. Wir sollten die Kunden damit überraschen, dass das so toll funktioniert. Dafür hilft es, den Status Quo infrage zu stellen und auch überraschend zu sein: im Tagesgeschäft und in den Kleinigkeiten, die unangenehm auf der Wegstrecke liegen.

 

Was wäre Ihre Vision für eine wünschenswerte Finanzwelt der Zukunft?

Meine Vision ist recht einfach: Ich hätte gerne, dass wir als Sparkassen den Bürgern in den Regionen die benötigten Finanzdienstleistungen zur Verfügung stellen, damit diese wiederum ihr Leben besser machen können. Das ist kein Werbespruch, sondern meine tiefe Überzeugung. Wir sind nicht dafür da, dass es uns besser geht. Als Diener der Generalwirtschaft und Unterstützer der Menschen sind wir für die Menschen da, damit sie ihr Leben einfacher gestalten können.

 

 

Über Zukunft nachdenken

Kleine Schritte

Zukunft findet in unseren Gedanken oft in der Ferne statt. Wir stecken uns Ziele, die wir irgendwann mal erreichen wollen und auf die wir – ebenfalls irgendwann – hinarbeiten wollen. Tatsächlich bewegen wir uns durch unsere Handlungen jedoch jeden Tag unbewusst auf irgendeine Zukunft zu. Selbstverständlich müssen wir nicht immer einer großen Zukunftsvision, einer Utopie nacheifern. Viel praktischer und einfacher in der Umsetzung sind sogenannte Protopien, also das schrittweise Vorangehen in eine immer etwas bessere Zukunft. Einen Schritt tun wir ohnehin. Warum diesen nicht bewusst gehen? Die Devise lautet: ein Fuß vor den anderen und jeden Tag ein bisschen besser werden.